Sie reden von Bürgerkrieg…

Um eines vorher abzuklären: Wir sind nicht für den Bürgerkrieg.
Wir wollen eine umfassende Veränderung der Verhältnisse, die nur durch eine soziale, kontinuierliche Revolution realisiert werden kann. Der (para)militärische Konflikt, den sich FaschistInnen in ganz Europa herbeisehnen, hierzulande unter anderem die FPÖ, kann nicht unsere Perspektive sein.

Vor kurzem hat der Parteiobmann der FPÖ Heinz-Christian Strache wieder einmal durch eine Aussage, einen bevorstehenden Bürgerkrieg in Österreich betreffend, auf sich aufmerksam gemacht. „Durch den ungebremsten Zustrom von kulturfremden Armutsmigranten, die in unsere Sozialsysteme einsickern, wird aber unser von Solidarität und Zusammenhalt getragenes gesellschaftliches Gefüge in seinen Grundfesten erschüttert und macht mittelfristig einen Bürgerkrieg nicht unwahrscheinlich.“ Nicht zum ersten und mit Sicherheit nicht zum letzten Mal spricht Strache vom bevorstehenden Bürgerkrieg. Die Gefahr geht dabei abwechselnd von ‚Fremden‘, ‚Chaoten‘, ‚Linken‘, ‚Ausländerbanden‘, usw. aus. Und um diesen Bürgerkrieg, der gegen „die braven Bürger des Landes“ geführt wird abzuwenden, müsse der FPÖ die Legitimation erteilt werden mit dem „dreckigen Gesindel“ endlich aufzuräumen. Die Argumentation und Rhetorik der reaktionären Kräfte in Österreich zeigen eine Reihe von Parallelen mit der faschistischen Bewegung in den 1930er Jahren. Dabei ist die Sprache des ‚Bürgerkrieges‘ ein wichtiger Teil. Der Bürgerkrieg ist Legitimation, Methode und Idealbild der Machtergreifung.

Selbstverständlich wird von denjenigen die nach Europa geflüchtet sind, um nach einem besseren Leben zu suchen, kein Bürgerkrieg initiiert.Genauso ist es lächerlich die minimalsten Ausbrüche von sozialen Spannungen und Protest als Bürgerkrieg (siehe z.B. mediale Berichterstattung zu Protesten gegen den Akademikerball) zu qualifizieren. Der FPÖ geht es um eine ideologisch aufgeladene Panikmache, um Militarisierung, Kontrolle und Überwachung voranzutreiben. Denn das sind die demokratischen Resultate, die aus dieser Dynamik entstehen. Und diese Entwicklungen sind die Grundlagen für einen immer autoritärer werdenden Staat.

Strache hat somit lediglich ausgesprochen, was in den Köpfen vieler Reaktionäre und FaschistInnen seit langem herumspukt. Die Rhetorik des Bürgerkrieges als Idealbild der faschistischen Machtergreifung ist ein reaktionäres Gegenmodell zur Revolution. Der Bürgerkrieg konserviert die Klassenverhältnisse und kümmert sich darum, dass das Eigentum nicht angetastet wird. Er sorgt dafür dass sich die Unterdrückten im Namen unterschiedlicher politischer Kräfte gegenseitig abschlachten. In der Ukraine hat die Unterwanderung des Maidan-Aufstandes zum Bürgerkrieg geführt. Ebenso wie in Syrien. Was als Revolution und Aufstand gegen das Regime Assads begonnen hat, ist mittlerweile in einen der vernichtendsten Kriege der letzten Jahrzehnte eskaliert.

Der Bürgerkrieg ist den revolutionären Bewegungen immer nur aufgezwungen worden. Unser Ziel ist es zusammen mit anderen Ausgebeuteten die Macht anzugreifen, zurückzudrängen und zu zerstören. Und nicht einen Wettlauf um die Machtergreifung zu veranstalten. Wir wollen Lebensräume schaffen, in denen die Revolte gedeihen kann. Nicht um uns auf den „Errungenschaften“ auszuruhen, sondern diese jeden Tag wieder zu riskieren und im Kampf um die totale Befreiung von jeder Unterdrückung und Fremdbestimmung erneut aufs Spiel zu setzen.

Der Bürgerkrieg ist eine reaktionäre Methode, die dazu dient, Unruhen, Revolten und Revolutionen zu vermeiden und den subversiven Gehalt des Aufbegehrens in die Bahnen des Militarismus, der Identität und des Machtkampfes zu zwingen. Die aufständische Situation ist für uns allerdings etwas vollkommen anderes als ein militärischer Konflikt. Sie lehnt die Spezialisierung aufgrund von Hierarchie und Rangordnung ab. Sicher werden unterschiedliche Individuen und Gruppen ihre jeweilige Perspektive, Taktik und Methode verfolgen, aber in einem gemeinsamen Kampf gegen die Autorität und nicht im Wettbewerb um die Ergreifung der Macht. Das ist es, was den antiautoritären Aufstand für uns ausmacht.
Als AnarchistInnen ist uns klar, dass wenn wir in Zeiten der politischen, gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Krise an revolutionären Spannungen arbeiten, immer auch die Gefahr besteht sowohl von der Reaktion als auch von „falschen Propheten“ in Situationen gezwungen zu werden, die unserem Freiheitsdrang zuwiderlaufen. Wobei Propheten natürlich immer falsch sind und ebenso alle anderen selbsternannten Anführer. Wir müssen diese Dynamiken analysieren und uns darauf vorbereiten. Das Gerede vom Bürgerkrieg ist ein gutes Beispiel für eine Debatte, die wir nicht auf eine Art und Weise führen wollen die lediglich die Vorzeichen der FaschistInnen umdreht und damit ein Negativ erzeugt. Das ist keine Option für uns, denn es eliminiert den Klassenkampf, die Autonomie und den Antagonismus.

„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“ Warren Buffet, US-amerikanischer Großinvestor und Unternehmer

Der Panik, die in Österreich im Angesicht der Bundespräsidentenwahl dieses Jahr und der kommenden Nationalratswahlen gerade überall um sich zu greifen scheint, sei hier entgegengehalten, dass es nicht zu einem innerstaatlichen militärischen Konflikt kommen wird. Im mitteleuropäischen Kontext von Bürgerkrieg in seiner militärischen Form, zu sprechen ist absurd. Wir glauben auch nicht, dass – hätte Norbert Hofer die Bundespräsidentenwahl gewonnen – sich Österreich von heute auf morgen in eine faschistische Diktatur verwandelt hätte. Was aber definitiv stimmt, ist, dass es politisch gesehen, zunehmend ‚ungemütlicher‘ wird. Diese Tatsache kann nicht durch ein Kreuzchen für den ‚richtigen’ Kandidaten beeinflusst werden. Dass sich der Kapitalismus in der Krise befindet, wird sowohl von der immer neoliberaler werdenden Linken, als auch von der isolationistisch-protektionistischen und immer klarere faschistische Tendenzen zeigenden Rechten nicht aufgelöst. Und so gibt es allerlei abenteuerliche Erklärungsmodelle für den allgemeinen Zustand. Während beide Seiten mit der Angst arbeiten, wird vergessen, dass sie doch zwei Seiten derselben Medaille sind.

Sowohl ‚linke’ als auch ‚rechte’ Parteien versuchen vermehrt den Populismus als Methode für sich zu nutzen. In Österreich ist er vor allem eine der wichtigsten Taktiken der Faschisten um eine Massenbasis zu kreieren. Sie befeuern die dümmsten und niedersten Abgründe der kapitalistischen Gesellschaft, um ans Ziel zu gelangen. Dieses heißt immer Machtübernahme. Dabei ist es wichtig, klare Identitäten zu schaffen; wer dem ‚Volk‘ angehört und wer nicht. Das reicht vom äußeren Feind dem das Handwerk gelegt werden muss bis hin zur Unterwanderung und Überfremdung im ‚eigenen Land‘. Dabei ist es wichtig alle anderen politischen Strömungen früher oder später als illegitim zu erklären und sich selbst als heroischer Verteidiger des Volkes präsentieren zu können. Aber ist das so? Eigentlich brauchen wir gar nicht lange nach äußeren Feinden zu suchen, denn den Feinden der Freiheit laufen wir ständig über den Weg. Sie grinsen uns von Wahlplakaten entgegen, sie pressen unsere Arbeitskraft aus, sie füllen sich bei jeder Gelegenheit die Taschen, weil sie sich in der richtigen Position befinden, sie kontrollieren uns auf der Straße und sperren uns ein, weil sie die Knarren haben, sie verurteilen uns weil sie alle unter die Gesetze und Regeln zwingen die sie erfunden haben. Es sind die Bosse, die Bullen, die Politiker, die Banker und Manager und natürlich auch die Faschisten selbst, denn sie sind in jeder dieser Positionen zu finden.

RevolutionärIn zu sein, bedeutet auch in aussichtslosen Zeiten nach dem Umsturz zu verlangen. Wir müssen uns neue Konzepte erarbeiten. Wir müssen stets nach dem Maximum an Freiheit verlangen. Jeder Kompromiss der Macht gegenüber ist ein Rückschritt. Wir schneiden uns damit ins eigene Fleisch. Es ist nicht nur so, dass es nichts zu feiern gibt, weil der Zustand der Gesellschaft und die Dynamiken des grassierenden Rassismus und die Spaltung unter den Ausgebeuteten nicht aufgehoben werden. Das ist vollkommen klar und das sei auch allen geraten, die sich jetzt sicher fühlen, dass „wir“ keinen rechtspopulistischen Präsidenten haben. Das Kreuzchen an der richtigen Stelle kann die Ausbeutung nicht abschaffen. Und genauso wenig werden die Aktivitäten von FaschistInnen dadurch weniger. Die Stimmung entwickelt sich – unabhängig von den Wahlen. Die Frage der Ausbeutung ist unweigerlich mit der Frage nach Aufstand und Rebellion verbunden. Denn nur das aktive Aufbegehren gegen diese Verhältnisse kann die Fremdbestimmung durch die Autorität brechen. Die FaschistInnen wollen keine Lösung der Klassenfrage und sie wollen keine Lösung für die Frage der Ausbeutung. Um eine wirklich radikale Lösung auszuschließen, ist es nötig, eine rhetorische Begrenzung zu schaffen. Der Bürgerkrieg dient somit als Ausweg, um die Gewalt in geordnete Bahnen einer militärischen Situation der bewaffneten Parteien zu leiten. Das ist der Grund, warum wir als AnarchistInnen nicht für den Bürgerkrieg sind. Es mag sein, dass uns diese Situation von autoritären und reaktionären Kräften, wie die FPÖ eine ist, aufgezwungen wird, aber es ist nicht unser Ziel, eine solche Situation zu schaffen.

Als AnarchistInnen verbreiten wir unsere Ideen, so wie wir sie in dieser Zeitung formulieren, nicht, um den Leuten nach dem Mund zu reden. Wir versuchen nicht davon zu überzeugen, dass sich die Lage der Menschen nur ändern wird, wenn wir regieren dürfen, wenn wir bestimmen dürfen, was passiert. Wir lehnen es ab irgendeine Art von Machtposition zu übernehmen. Wir wollen davon überzeugen, dass es eben diese Machtpositionen nicht braucht, um ein freies, selbstbestimmtes Leben zu führen. Wir wollen aber auch darauf aufmerksam machen, dass es innerhalb der kapitalistischen Verhältnisse und unter dem Joch irgendeiner staatlichen Reglementierung, kein freies und autonomes Leben geben kann. Das ist der Widerspruch, in dem wir existieren. Ein Widerspruch, der nicht durch ständig neue MachthaberInnen überwunden wird.

Dass die Zustände sich zuspitzen, liegt zu einem großen Teil an der Krise und den nationalistischen Geistern, die zur Rettung des Kapitals gerufen wurden. Sie bringen Verschwörungstheorien, brennende Flüchtlingsheime, feiste Selbstgerechtigkeit und Isolationismus mit sich. Das ist ihre Taktik des Bürgerkrieges. Ganz im Geiste der 30er Jahre. Deshalb wird es auch wieder nötig sein die Konfrontationen auf der Straße, im Alltag, in unseren täglichen Gesprächen am Arbeitsplatz, in der Schule oder im Beisl mehr in unseren Fokus zu rücken. Ebenso wie die subversiven Geschichten aus der Vergangenheit und Gegenwart nur dann Sinn machen, wenn wir weder eine längst verblasste Vergangenheit und auch nicht einen fernen Ort versuchen zu romantisieren, sondern die Erkenntnisse und Geschehnisse als Erweiterung unserer täglichen Praxis zu begreifen. Nur so können wir ein Verständnis über die Welt erlangen und uns mit ihr konfrontieren. Der Kampf gegen die Autorität, die Ausbeutung und den Krieg, der gegen uns geführt wird, muss von der Inszenierung losgelöst und endlich Realität werden!

Lasst uns unseren Alltag revolutionieren, Tag und Nacht Revolte!