Vergangenheit und Gegenwart der Opernballdemo in Wien

Lange ist es her seitdem zum letzten Mal eine Demonstration gegen den Wiener Opernball stattgefunden hat. Zum letzten Mal im Jahr 2004, abgesehen von nicht wirklich erwähnenswerten Kundgebungen mit zum Teil weniger als 10 Personen in den Jahren zwischen 2004 und 2017. Für 2017 hat die Kommunistische Jugend Österreich (KJÖ) wieder eine Demonstration angekündigt, um zu parteipolitischen Zwecken eine Leiche zu reanimieren.

Die erste Opernballdemo fand 1987 statt. Zu dieser Zeit gab es im bayerischen Wackersdorf große Demonstrationen gegen die geplante Wiederaufbereitungsanlage für atomare Brennstoffe, auf denen es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den Bullen kam. 1987 besuchte der damalige bayerische Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß den Wiener Opernball. Aus diesem Grund wurde die erste Opernballdemo von der Grünen Alternative organisiert. Am besagten 26. Februar 1987 kam es gegen 22 Uhr zur Eskalation. Es flogen Flaschen, Eier und anderes Gerät auf die Bullen. Teile der Grünen distanzierten sich sofort von der Gewalt. Damit war vorerst Schluss mit der parteipolitischen Einflussnahme.

In den folgenden Jahren wurde die Demo gegen den Opernball ein Fixpunkt für die autonome Bewegung, um die Auseinandersetzung mit Staat und Kapital auf die Straße zu tragen, denn schließlich war der Opernball ein Prestigeobjekt der besitzenden Klasse in Österreich. Hier traf sich alles vom Medienmogul über den Politiker bis zu den wichtigsten Unternehmern des Landes, inklusive hochrangiger ausländischer Besuch aus Adel und Geld.

Ab 1987 kam es jährlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. 1988 wurde die Demo von den Behörden untersagt. Bereits am Vormittag sperrten einige Leute die Ringstraße mit einer Eisenkette ab, blockierten den Verkehr und machten auf die Demo aufmerksam. Am Abend eskalierte dann die Situation, nachdem ein Bullenauto in die Menschenmenge raste. In den Jahren 1989 und 1990 fanden die Demos unter dem Motto ‚Eat the rich‘ statt und standen im Zeichen der Häuserkämpfe speziell im Zusammenhang mit der Besetzung in der Aegidigasse, die im Sommer 1988 geräumt worden war. Im Zuge der Auseinandersetzungen im Jahr 1989 schoben einige DemonstrantInnen den Mercedes eines Ballgastes gegen die Absperrungen. 1990 gab es stundenlange Scharmützel mit den Cops rund um die Operngasse, nachdem kurz zuvor einige Faschisten versucht hatten die Demo mit Leuchtmunition, Messern und Schlagstöcken anzugreifen. Auf der Wienzeile wurden währenddessen die Schaufenster einer Billafiliale eingeschlagen und anschließend das Geschäft geplündert. Im Jahr 1991 fand der Opernball gar nicht erst statt – er wurde wegen des Golfkriegs abgesagt. Die Demo gab es trotzdem und richtete sich gegen den Krieg. Sie wurde in ihrer Gesamtheit gekesselt, sonst gab es keine weiteren Zwischenfälle. Während dieser ersten Jahre wurden immer wieder jede Menge Leute auf den Opernballdemos verhaftet und mitunter bis zu einigen Monaten Untersuchungshaft verknackt. In den 1990ern ebbte die Beteiligung an den Demos langsam ab und Konfrontationen mit der Polizei es auch keine größeren mehr.

Im Jahr 2000 kam es zu einer Wiederbelebung der Opernballdemo. Drei Wochen vorher war die blau-schwarze Regierung angelobt worden. Rund 15.000 Menschen gingen auf die Straße. Es kam zu kleineren Scharmützeln. 2001 wurden mehrere Banken, Polizeiautos und Geschäfte entglast, Barrikaden gebaut, die teilweise angezündet wurden und Krähenfüße gegen die Cops eingesetzt. In den frühen Morgenstunden nach der Demo überfielen die Bullen das Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) in Favoriten, wobei sie unter anderem einen Teil des Inventars der Tatblatt Redaktion zerstörten. In den darauf folgenden Jahren wurden die Demos von antiimperialistischen Gruppen organisiert und richteten sich vor allem gegen den erneuten Krieg im Irak. Die Demos in den Jahren 2002, 2003 und 2004 waren zwar deutlich ruhiger, dennoch kam es zu den üblichen kleineren Auseinandersetzungen, minimale Brandstiftungen und eingeschlagenen Scheiben.

Anhand dieser Chronik sehen wir, dass die Opernballdemo keinen einheitlichen Charakter hatte. Dennoch war sie aber immer auch ein Kristallisationspunkt für den Angriff und eine Möglichkeit, die Konfrontation mit der Staatsgewalt zu erproben. Die Opernballdemo in ihrem Ursprung, als autonomes Projekt der Straße, hat zum heutigen Zeitpunkt ihre reale Basis verloren. Dass eine KJÖ versucht, sich die Opernballdemo unter den Nagel zu reißen, scheint in diesem Kontext zwar absurd, aber nicht unbedingt unlogisch. Denn auch in der Vergangenheit wurde die Opernballdemo in unterschiedliche Richtungen instrumentalisiert.

Trotz allem denken wir, dass es bei jeder Gelegenheit gut ist die Konfrontation mit den Bullen zu suchen. Ob das die Opernballdemo 2017 garantieren kann, ist mehr als fraglich. Genau so fraglich, ob es zur Zeit das Potenzial gibt, wieder jene Dynamiken zu entfesseln, die die Opernballdemo in den letzten drei Jahrzehnten punktuell immer wieder angenommen hat. Über Sinn und Unsinn solcher ‚Events‘, die einmal im Jahr stattfinden, lässt sich streiten. Grundsätzlich halten wir es für viel wichtiger an einer Kontinuität zu arbeiten, anstatt alte Leichen auszugraben. Denn die soziale Revolte kann nicht an fixe Events 1-2 mal im Jahr gebunden werden, sondern steht jeden einzelnen Tag auf dem Spiel.

Doch wir wollen hier weder Voraussagen treffen, noch irgendwelche großartigen Vorschläge, denn die Geschichte der Opernballdemo zeigt uns ohnehin, was zu tun ist. Es liegt an uns selbst die Initiative zu ergreifen und den Sprung in die Konfrontation zu wagen. Egal ob am 23. Februar oder an jedem anderen Tag im Jahr!

In diesem Sinne: Auf dass es wieder so schön eskaliert wie früher, ohne Parteien und andere Autoritäten gegen den Wiener Opernball!