Der Voyeurismus der Wiener Linien

 

 

 

 

 

 

Seit kurzem rühmen sich die Wiener Linien öffentlich, mittels Plakaten, damit, dass wir ständig von ihren MitarbeiterInnen beobachtet und kontrolliert werden. Vom Kontrollraum in Erdberg bis auf die Bahnsteige der U-Bahnstationen schauen sie uns zu. Diese Voyeure beobachten uns auf Schritt und Tritt auf unserem Weg durch das öffentliche U-Bahnnetz. Ob sie nun vor einem Bildschirm sitzen oder als U-Bahn Security herumstiefeln. Das ist nämlich das neue Sicherheitsteam, das seit August im Einsatz ist und unter anderem für die ‚Einhaltung der Hausordnung‘ verantwortlich ist. Sie heißen Oliver, Security-Mitarbeiter oder Christian, Leitstellen-Mitarbeiter. Die Wiener Linien befriedigen damit das staatliche Sicherheitsbedürfnis, das zur Zeit besonders hoch ist. Alle möglichen Arten von Übergriffen, gewalttätigen Auseinandersetzungen und Konflikten wurden in den letzten Jahren dazu benutzt, um die soziale Kontrolle und die Überwachung des öffentlichen Raumes zu verdichten. Denn wie uns schon des öfteren von der Politik weiß gemacht wurde, braucht Macht Kontrolle.

Ich, für meinen Teil, will nicht dass Oliver oder Christian oder sonst irgendwer auf mich schaut. Ich hab auch keinen Bock dass mich der scheiß Oliver via Lautsprecher abmahnt, weil ich mir unerlaubterweise auf dem U-Bahnsteig eine Tschik anzünde. Ich will auch nicht, dass scheiß Christian auf dem Bahnsteig als Security abgestellt ist und mich beobachtet, damit ich auch nichts verbotenes anstelle. „Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter der Wiener Linien hat stets ein wachsames Auge. Sie können bei Bedarf rasch eingreifen“, sagt Öffi-Stadträtin Ulli Sima dazu. „Wir appellieren zudem dazu, die Sicherheitseinrichtungen in den Stationen und Fahrzeugen zu verwenden. Hier gilt: Im Zweifel ist es ein Notfall“. Im Zweifel ist es ein Notfall? Was soll diese Panikmache? Ich bin sicher der Letzte der dagegen ist, dass sich Leute einmischen, wenn jemand in der Klemme steckt. Was aber hier betrieben wird ist Bespitzelung und Anstiftung zum Denunzieren der übelsten Sorte. Und weil sie in ihrem U-Bahn-Netz nicht über die gewünschte Kontrolle verfügen stiften sie die Fahrgäste an sich gegenseitig zu kontrollieren und bei Bedarf Meldung zu geben: „Milena schaut auf dich“ Öffi-Nutzerin steht auf einem weiteren Plakat…

So erteilt die Herrschaft seinen eigenen Untergebenen einen Teil der Macht. Durch sie wird versucht die ausbeuterischen Grundlagen aufrecht zu erhalten und die Machtausübung zu dezentralisieren und zu zerstreuen. Wir überwachen uns gegenseitig, die Kontrolle soll also immer sozialer werden. Die breite Einbettung des aktuellen Überwachungsdiskurses soll akzeptabler und partizipativer erscheinen.

Die Kampagne begleitet die Einführung des Sicherheits- und Servicepakets, in dessen Rahmen, in den nächsten Jahren, die Sicherheitsbediensteten in den U-Bahnstationen und U-Bahnen selbst, erhöht werden sollen. Bis zum Jahr 2019 sollen das 330 Personen sein. So passen die Wiener Linien ihre Praxis dem gängigen europäischen Überwachungstrend an, denn in vielen anderen Städten sind U-Bahn Securities seit vielen Jahren eingesetzt.

Doch es hat sich nicht nur etwas im Bereich der Personalbereitstellung getan. Die Wiener Linien haben die Kontrolle über das innerstädtische Verkehrsnetz in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Sie haben das Monopol auf die Beförderung von A nach B. 11.000 Kameras sollen im Bereich der Wiener U-Bahn installiert sein. Und es ist noch kein Ende in Sicht, denn die alten Ausführungen der Straßenbahn, kurz ‚ULF‘, verfügen über keine Kameraüberwachung, diese sollen aber in naher Zukunft nachgerüstet werden.

In der kapitalistischen Logik haben Verkehr und Transport wichtige Aufgaben bezüglich der Aufrechterhaltung von Arbeit, Konsum, Sicherheit, usw. Verkehrsbetriebe sind damit ein zentraler Teil der kapitalistischen Realität. Und so ist dieser Wiener Verkehrsbetrieb ein Paradebeispiel der modernen kapitalistischen Mobilität. Streng nach ‚panoptischem‘ Muster organisiert. Damit schaue ich jeden Tag in eure Kameralinsen, egal ob ich auf dem Weg in die Arbeit oder nach Hause bin. Ob ich nun mit Freunden unterwegs bin oder Plakate klebe. Ob ich vor einer Kontrolle flüchte oder einfach nur besoffen bin… Alle unsere Wege sind durch das wachsame Auge der Wiener Linien verfolgbar. Der Begriff von Freiheit den wir innerhalb kapitalistischer Verhältnisse haben wird immer hohler. Denn die Sicherheit steht über allem. Und bevor grundlegende Faktoren der Ausbeutung in Frage gestellt werden könnten und blinde Flecken entstehen, leuchten sie dir lieber bis in den Arsch.

Passt auf euch auf! Und setzt euch gegen alle Olivers und Christians zur Wehr! Und stecht dem Überwachungsstaat die Augen aus!