Smarteres Gefängnis– ein Aufruf zum Krieg gegendie multinationalen Technologieunternehmen

Unter diesem Titel erschien zuerst auf Französisch und vor kurzem auf Deutsch eine Broschüre, die wir euch hiermit vorstellen wollen. Sie ist entweder in gedruckter Form über unsere Mailadresse zu beziehen oder unter folgendem Link im Internet zu finden: http://anarchistischebibliothek. org/library/radical-interferencesmarteres-gefangnis

Der Titel der Broschüre wirft sofort einige Fragen auf: Smarteres Gefängnis? Was soll das sein? Eine Art computergesteuertes, abgelegenes Gefängnis für sog. „Schwerverbrecher“?

Das wäre eine Möglichkeit und es ist außer Zweifel, dass es ein solches auch geben wird, doch die Autor*innen des Textes ziehen noch einen größeren Kreis und meinen mit Gefängnis eines: Den (zukünftigen) Alltag. Denn wenn wir den Zielen des globalen Informatik-Großkonzerns IBM Beachtung schenken, wird folgendes klar: Sie arbeiten auf den Zustand der „Internet der Dinge“ hin, was bedeutet, dass sie in hoher Dichte Mikrochips, die sowohl Daten sammeln, als auch verarbeiten können, in Objekte, Körper und die ganze Umwelt implantieren wollen. Somit soll alles „smart“ werden und miteinander kommunizieren können. Folglich gibt es dann nanogroße Geräte in der Atmosphäre, im Boden, in Brücken, in Straßenlaternen, in menschlichen und nicht-menschlichen Tieren etc. um möglichst viele Daten zu sammeln und die Umwelt somit kontrollierbar zu machen. Alles wird somit zum Instrument reduziert, quantifizierbar und berechenbar gemacht. Und eben das wollen sie uns als „Smarter Planet“ verkaufen – natürlich nur „zu unserem Besten“. Es wird dabei schnell klar, dass diese (dystopische) Zukunft auf vielen Ebenen problematisch und für freie Individuen alles andere als erstrebenswert ist. Ohne jetzt Panik verbreiten zu wollen, versucht der Text klar die Gefahren dieser feuchten Träume der riesigen Konzerne aufzuzeigen. Denn was sie unter dem Banner des „neutralen Fortschritts“ umsetzen wollen, kann niemals Teil einer befreiten Gesellschaft sein. Deshalb, weil das Ziel nicht das bessere Leben für alle sein wird, sondern die Maximierung des Profits und folglich eine Verschärfung der Ausbeutung und Vernichtung des Planeten und aller Lebewesen. Dabei betonen die Autor*innen eines: Wenn einmal eine Technologie erfunden ist, wird es auch zu ihrer Anwendung kommen. Weiter kritisieren sie die allgegenwärtige (zukünftige) Kontrolle. Mit Millionen von Kameras und sandkorngroßen Sensoren kann in jeden Bereich unserer Leben eingedrungen und Daten ohne Ende generiert werden. Computer mit ausgeklügelten Algorithmen errechnen dann eine statistische Norm, wobei sich alles, was von dieser abweicht, verdächtig macht. Dass dies schon heute zum Teil der Fall ist und immer weiter ausgebaut wird, ist außer Frage – somit wird im Stillen Stück für Stück dieses „smarte Gefängnis“ um uns herum gebaut, ohne dass es viel diskutiert oder attackiert wird. Im Gegenteil, es wird als „nützlich“ und wichtiger Schritt „für unsere Sicherheit“ propagiert.

In der Broschüre werden neben den heute breit angewandten RFID(Radio Frequenz Identifikation) -Chips noch andere aktuelle (Nano-)Technologien beleuchtet, wobei immer wieder mit Zitaten von Konzernchef*innen und Forscher*innen die rücksichtslose Überheblichkeit verdeutlicht wird, mit welcher jene ihre eigennützigen Ziele verfolgen. Doch auch in der formulierten Kritik daran werden Dinge oft überzeichnet und etliche Behauptungen aufgestellt, wie etwa, dass Menschen dümmer werden (Stichwort Deskilling), je smarter die Umwelt. Auch wird die „Wildnis“ und „Natur“ romantisiert, ohne sie weiter zu definieren.

Zum Schluss bleibt natürlich die Frage: Was tun? Welche Hoffnung gibt es angesichts dieser schaurigen Zukunft? Vor allem, weil es bald unmöglich wird, aus all dem einfach „auszusteigen“, wenn das System einmal etabliert ist. Auf diese Fragen gibt der Text eine deutliche Antwort: Die herrschende Ordnung ist nie so stabil, wie sie sich darstellt und die Ausbeutung des Planeten ist von einer physischen Infrastruktur abhängig: Kabeln, Leitungen, Antennen, Bildschirmen, Forschungseinrichtungen etc.. Hier ist mit Direkter Aktion vieles möglich – es kann und muss immer wieder Sand in das Getriebe gestreut werden. Auf jeden Fall ist es wichtig, zunächst den „Fortschritt“ zu Hinterfragen, diese vermeintlich „nützlichen“ Technologien zu thematisieren und zu bekämpfen. Denn es ist Fakt, dass momentan massenweise Geld und Forschungsarbeit investiert wird, um dieses sterile Horrorbild umzusetzen, dementsprechend stark und lebendig muss unser Widerstand sein.