Wie die Polizei in Wien für Angst und Schrecken sorgt

Wien wurde erst kürzlich wieder von einer international tätigen Unternehmensberatung zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt. Bewertet wurden dabei das politische und soziale Klima, medizinische Versorgung, Ausbildungsmöglichkeiten oder infrastrukturelle Voraussetzungen. Auf welchen Daten sich die Studie genau stützt, bleibt streng gehütetes Firmengeheimnis. Fest steht jedenfalls, dass Unternehmer_innenschaft und damit sehr viel Kohle im Fokus der Beurteilung der Antworten steht und nicht z.B. die Lebenskosten der Menschen in der Stadt oder das unleistbare Wohnen. Daher sind – auch nicht zufällig – die Städte auf den vorderen Plätzen gleichzeitig die teuersten der Welt und damit vor allem Städte für Reich und Schön. Aber das ist eine andere Geschichte und doch unser Cliffhanger zur Frage, was zur Hölle die Polizei in Wien so treibt. Spaziert man nämlich mit Wien-Besucher_innen durch beliebige Gegenden der Stadt, hat man den Eindruck, Wien sei der gefährlichste Ort der Welt.

Blaulicht überall, Wägen der Bereitschaftspolizei und den Einsatzeinheiten fahren in permanentem Höllentempo bei Rotlicht über Kreuzungen, wahllos stehen Polizeiautos herum, werden Menschen kontrolliert, der Polizei-Hubschrauber kreist im Dauerloop. An Bahnhöfen, in U-Bahnen, Parks, vor Einkaufszentren und in Einkaufsstraßen trifft man alle paar Meter auf militarisierte BeamtInnen, die Präsenz zeigen. Waffe im Anschlag, Kampfuniform, auftrainierte Muskelprotze, man hat den Eindruck, es ist gefährlich hier. Oder es ist schon wieder was passiert. Oder es wird gleich was passieren.

Als beispielsweise Mitte August das Europa-League-Spiel zwischen Rapid und Slovan Bratislava als Hochrisikospiel qualifiziert wurde, war die Stadt nur so zugeschissen von Cops. Am Bahnhof, beim Stadion und eine mobile Einheit für die U-Bahn-Begleitung mögen vielleicht aus polizeilicher Sicht noch Sinn machen. Allerdings geht es nicht um Sicherheitspolitik, wenn rund um die Uhr im 10er-Konvoi die Straßen rauf und runter befahren werden. Und das nicht nur in der Nähe der Ankunftspunkte oder des Stadions, sondern in der halben Stadt. Stundenlang drehten die Polizei-Helikopter ihre Runden, konnten Menschen nicht schlafen wegen des Höllenlärms, den tieffliegende Helis nun mal verursachen. Nachweislich Stunden, nachdem alle Hools in ihren Zügen, Autos oder Betten lagen.

Dabei steht hier auch gar nicht mehr die Sicherheit in der Stadt, was auch immer das dann sein soll, das Bündeln der Kräfte, den Nachschub oder das Anliefern von weiterem polizeilichem Menschenmaterial im Fokus, hier geht es schlicht um die Konstruktion eines Bildes, das sich in unser aller Hirne festbrennen soll. Ganz Wien ist gefährlich. Ganz Wien ist ein Hot Spot der Kriminalität, der Ausschreitungen, des Verbrechens, der kriminellen Banden, der Diebe, Mörder und Terroristen, der ausländischen Kartelle und damit quasi am Rande des permanenten Ausnahmezustandes, ja vielleicht des Bürgerkriegs. In Wien braucht es Polizei und noch viel viel mehr. Überall, flächendeckend, zu Wasser, zu Lande, in der Luft. Bald auch zu Pferd und mit Sturmgewehr in jedem Streifenwagen. Flächendeckend bis Ende 2019. Und das ist politische Absicht und im kicklschen Sicherheitswahn genau das Bild, das entstehen soll. Habt Angst, ihr braucht uns, den Staat, den Führer, die Autorität.

Wenn sich unser Wien-Besuch also über die rasanten Bullenautos wundert, die alle Minuten vorbeirauschen oder über den Lärm der tieffliegenden Hubschrauber, dann ist deren Schlussfolgerung daraus: „Wahnsinn. In der Stadt ist es gefährlich. Bei uns am Land ist das nicht so. Es muss also stimmen, was in der Krone steht oder in Österreich. Ständig Überfälle. Messerstechereien. Demos von Chaoten. Und Gewalt auf der Straße. Wir fürchten uns, wir wollen hier nicht bleiben, wir wollen hier nicht leben. Wie könnt ihr nur hier leben??!?!?“

Die Polizei ist in Wien überall. Und damit die Repression. Schon lange nicht mehr nur gegen marginalisierte Gruppen wie Bettler_innen, Geflüchtete, Obdachlose, Jugendliche aus ärmeren Schichten, die wegen beengter Wohnverhältnisse gezwungen sind viel draußen zu sein, Straßenmusiker_innen, Bierverkäufer_innen, alle, die nicht ins Bild der sauberen, aufgeräumten, konsumgeilen fröhlichen Stadt passen. Betroffen sind nahezu alle: Steigende Videoüberwachung im öffentlichen Raum, permanentes auf dicke Hose machen der Cops, von denen meist ganz konkrete körperliche Drohungen ausgehen und zum Ziel haben Menschen einzuschüchtern, Angst zu machen und von ihren gewohnten Orten zu vertreiben.

Die ständige Polizeipräsenz ist ein Teufelskreis. Die einen werden dadurch belästigt und verdrängt. Die anderen denken, wenn die Cops überall sind, muss es auch Gefahren geben. So einfach, so falsch.

Es liegt an uns dem etwas entgegen zu halten. Denn mit wem man auch spricht: Niemand mag die Polizei. Selten wer dabei, die auf positive Erlebnisse mit dem „Freund und Helfer“ zurückgreifen können. Denn diese sind zwar Freund und Helfer – aber nicht von uns, sondern von Reich und Schön, von Kapital und Immobilie. Wer schikaniert und bedroht wird, hat entweder keine Lobby oder einen guten Rechtsbeistand. Dieser kostet Geld, das die meisten nicht haben. Sicher, manchmal trifft es die falschen und es landet was von der alltäglichen Repression in den Medien, wird für einen Tag zu einer Story und alle empören sich in den sozialen Netzwerken. Das Narrativ ist: Polizeigewalt ist das Problem einzelner Beamter, die sich nicht im Griff haben. Genau umgekehrt ist richtig: Polizeigewalt hat System. Ohne Gewalt keine Chance die herrschende Ordnung aufrechtzuerhalten und Gewalt ist wichtigster Bestandteil aller Staaten, egal ob Demokratie oder Nordkorea.

Niemand muss Bulle sein. Die, die es sind, haben sich den Berufsweg selbst ausgesucht. Sie haben sich beworben, die Aufnahmeprüfung geschafft, die Ausbildung durchgehalten, sich für die Bereitschaftseinheiten freiwillig gemeldet oder sind an den sogenannten Hot Spots dieser Staat zwangseingeteilt worden. Die einen versuchen es mit guter Cop, die anderen sind die bösen. Die einen wollen Ansprechperson und Partner_in für die Nachbarschaft sein, die anderen einfach nur drüberfahren und reinkrachen. Weil Autorität sein geil ist und den Testosteronlevel nochmal voll raufhaut. Weil das Adrenalin ballert und dieser Rausch am Höhepunkt ihrer Macht das ist, was sie haben wollen. Freiwillig. Daher: Kein Mitleid mit Cops. Konfrontiert sie mit ihrer repressiven und zum Teil mörderischen Arbeit, wo ihr nur könnt und wo ihr sie trefft.

Cops sind auch nur Menschen und Menschen haben Schwachstellen. Daher fragen sich viele PolizeibeamtInnen nicht umsonst jeden Tag, ob es wirklich ihre Berufung ist Kids auf der Straße zu schikanieren, Menschen in den Tod abzuschieben oder als Hassobjekt der Bevölkerung herhalten zu müssen. Helfen wir ihnen beim Ausstieg, unterstützen wir sie, wenn sie ihren Job scheiße finden. Denn er ist es auch.

Für alle anderen Cops gilt: Alle hassen euch. Deal with it. Klar seid ihr nur Menschen, das macht euch auch so gefährlich. Menschen mit Knarren, die ausrasten dürfen und können, die im Namen des Staates andere verletzen und töten. Selber schuld, wenn euch der Hass der Welt trifft. Auf dem Weg in die Freiheit seid ihr (neben anderen) unsere größten FeindInnen, egal ob SchreibtischtäterIn oder auf der Straße.

Und sonst so: Lassen wir nicht zu, dass die Polizei das Bild dieser Stadt dominieren. Lassen wir uns nicht einschüchtern und Angst machen, denn das ist ihr Sinn und Zweck und wir dürfen nicht zulassen, dass sie gewinnen – weder real noch in unserem Kopf. Helft einander, dokumentiert Polizeigewalt, lasst andere mit Cops nicht allein, niemals. Für marginalisierte Personen kann das tödlich sein. Gemeinsam können wir entschlossen bei Amtshandlungen handeln, Betroffene unterstützen, sich um juristische Beratung kümmern. Egal ob im Stadion, im Park, bei Kontrollen, als Anarchist_in bei Demos oder in der eigenen Nachbarschaft. Seid füreinander da, gemeinsam gegen die Polizei.