Der Kampf gegen die Grenzen

und die Welt, die sie hervorbringt. Am Beispiel Brenner und darüber hinaus

12Der österreichische Staat hat angekündigt, die Grenze zu Italien am Brenner schließen zu wollen. Es soll ein 370 Meter langer, mit rasiermesserscharfem Nato­Draht gespickter Zaun, drei Kontrollpunkte auf der Autobahn, zwei zur Kontrolle von LKW und einer zur Kontrolle von PKW und Bussen, und ein weiterer auf der Bundesstraße errichtet werden. Es wird eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h eingeführt, um von den Kontrollpunkten Fahrzeuge herauswinken zu können. Auch die Züge sollen alle einen Sonderhalt in Steinach am Brenner einlegen, wo alle Nicht­Einreiseberechtigten zum Aussteigen gezwungen werden sollen, um sie zum Brenner zurückzuverfrachten. Ebenso soll ein „Leitsystem“, dass die Ankommenden in geordnete, kontrollierte Bahnen zwingen soll und Container zur Registrierung errichtet werden. Alle die berechtigt sind, können hier einen Asylantrag stellen, den anderen wird die Einreise mit Gewalt verwehrt. Dass Österreich gerade jetzt diese Grenze schließen will, verwundert ­ hat doch die Zahl der Menschen die von Italien nach Österreich einreisen ein historisches Tief erreicht. Es liegt die Vermutung nahe, dass die Herrschenden in dem reaktionären, von nationalistischer und chauvinistischer Stimmungsmache geprägten Klima in Österreich ihre Chance wittern, um in der generellen repressiven Entwicklung weiter voranzuschreiten.

Die Schließung der Grenzen bettet sich in eine, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa bemerkbare Entwicklung ein. Während nationalistische Parteien Wahlerfolge feiern und neofaschistische Bewegungen immer mehr Zulauf haben und eine immer größer werdende Bedrohung für all diejenigen werden, die nicht in ihr widerliches Weltbild passen, agiert der Staat immer repressiver. Ausnahmegesetzgebungen, Einsatz des Militärs im Inneren, Aufstockung von Polizei und Geheimdiensten und Ausweitung ihrer Befugnisse sind Entwicklungen, die überall in Europa beobachtet werden können. Der Großteil der Bevölkerung in Österreich scheint damit kein Problem zu haben, ja befürwortet gar diese repressiven Vorstöße des Staates. Von tagtäglich konsumierter rassistischer Propaganda verblendet glauben viele Ausgebeutete, den Feind in denjenigen ausmachen zu können, die durch das kapitalistische Ausbeutungssystem und den Terror der Herrschaft noch stärker getroffen sind als sie selbst. So setzt sich das traurige Spiel des nach oben buckeln, nach unten treten fort. In diesem System, dass uns alle in Konkurrenz zueinander zwingt, sind es dann leider oft diejenigen, die selbst die meisten Gründe haben müssten, den Herrschenden in Politik und Wirtschaft die Pest an den Hals zu wünschen, die sich an vorderster Front an rassistischer Stimmungsmache beteiligen. Die Herrschenden haben immer schon stark davon profitiert, wenn die Ausgebeuteten sich gegenseitig bekämpfen, anstatt sich in der Lage des Anderen wiederzuerkennen und ihren Hass auf die Strukturen und Verantwortlichen zu richten, die uns diese miserablen Bedingungen aufzwingen. Die Perspektive der Zerstörung der Grenzen wird sich erst realisieren lassen, wenn wir auch die geistigen und ideologischen Grenzen, die uns voneinander trennen einreissen, und uns gegenseitig als einzigartige Individuen betrachten, von deren Freiheit wir profitieren.

Anlässlich der Schließung der Grenze am Brenner kommt es nun zu allerlei heuchlerischer Kritik am Vorgehen Öster reichs durch Verteidiger der „europäischen Idee“ und des vermeintlich freien Personen­ und Warenverkehrs innerhalb der europäischen Union. Also den liberalen Arschlöchern, die gute Miene zum bösen Spiel machen und innerhalb ihres widerlichen kapitalistischen Europas keinen Stacheldrahtzaun wollen. Von denen, die sich Sorgen um die Einschränkung der Wirtschaft machen und des freien Personenverkehrs innerhalb des Schengenraums. Diese Kritik sagt nichts ande­res als: wir müssen die Menschen schon dort stoppen, von wo sie sich auf den Weg machen oder eben an den EU­Außengrenzen. Sprich, sie sollen dort verrecken wo sie herkommen und nicht auf unsere schöne, liberale Insel kommen. Als Anarchisten werden wir uns bestimmt nicht an der Verteidigung der europäischen Idee beteiligen. Wir teilen nicht ihre liberalen Werte, die Tag für Tag die Würde des Menschen mit Füssen treten. Ihre geheuchelte Betroffenheit sollen sich die Herrschenden, die den ganzen Planeten mit Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg überziehen, sonst wo hinstecken. Wir verteidigen nicht die Idee von Schengen, wir betteln nicht um Erlaubnis, uns dahin bewegen zu dürfen wo wir wollen, wir bekämpfen jegliche Struktur, die unseren Willen zur Selbstbestimmung unterwerfen will, ob EU oder österreichischen Staat. Daher geht es uns auch am Arsch vorbei, ob die Schließung der Brennergrenze nun gegen EU­Recht verstößt oder nicht.

Wie wichtig es den Herrschenden ist zu betonen, dass versucht wird den „Verkehr flüssig“ zu halten zeigt, was die Grenzen darstellen: ein Management der Warenflüsse und der Bewegungen der Menschen, die, gezwungen ihre Arbeitskraft zu verkaufen, vom Kapitalismus zu Waren degradiert werden. Sie müssen als ein Mittel zum Schutz des Kapitals und der Aufrechterhaltung der Herrschaft betrachtet werden. Sie sollen verhindern das, diejenigen, die als überflüssig betrachtet werden, die keinen Nutzen für die bestehende Ordnung haben, das Territorium des Nationalstaats betreten. Gezwungen durch Krieg, den Entzug ihrer Lebensgrundlage durch Wirtschaft und Umweltzerstörung machen sich unzählige Menschen auf den beschwerlichen Weg nach Europa, überwinden Barrieren und Flüsse, versuchen durch Angriffe auf die Grenzbefestigungen die Öffnung der Grenzen selbst in die Hand zu nehmen. Sie zeigen Würde, halten sich nicht an die Gebote der Nationalstaaten, fügen sich nicht der Fremdbestimmung. Dem gilt unsere Solidarität. Doch wenn wir die Grenzen zerstören wollen, dann nicht weil wir stellvertretend für Andere kämpfen, sondern weil wir in den Grenzen Mittel zur Aufrechterhaltung unserer eigenen Ausbeutung und Unterdrückung erkennen.

Auch gegen die Grenzschließung am Brenner regt sich Widerstand. Anfang April kam es nach einer Demonstration gegen die Grenzschließung von ca. 1000 Menschen am Grenzübergang Brenner zu Angriffen auf die Polizei und die provisorische Grenzbefestigung. Auch bei weiteren Demonstrationen kam es zu Handgreiflichkeiten mit den Wächtern der Ordnung. Ein schönes Zeichen, dass die Parole der Zerstörung der Grenzen keine leeren Worte sind und dieser auch Taten folgen, die uns Wege zum Kampf gegen das Grenzregime aufzeigen. Am 7.Mai soll erneut eine Demonstration am Brenner stattfinden, zu der international mobilisiert wird. Ein Fehler, den wir nicht machen dürfen, ist es den Kampf gegen die Grenzen als isoliert zu betrachten. Der Angriff auf die Grenzen muss mit dem Angriff auf die gesamte Struktur der Ausbeutung und Unterdrückung verbunden werden. An Grenzübergängen verlaufen meist wichtige Transportrouten. So ist die Brenner­Autobahn die wichtigste Transitroute für den alpenüberquerenden LKW­Verkehr. Täglich werden hier Waren, die dafür bestimmt sind in einem international verketteten Produktionsablauf weiterverarbeitet zu werden, über die Grenze geschafft. Die Transportrouten, ob Autobahnen oder Güterzugverkehr, stellen empfindliche Adern des kapitalistischen Systems dar. Kommt es hier zu Unterbrechungen, läuft der Verkehr nicht wie von er Politik gewünscht „flüssig“, kann dies enormen Schaden für die Profiteure der Wirtschaftsordnung bedeuten. Dies ist eine Möglichkeit die Herrschenden spüren zu lassen, dass sie ihre Pläne teuer zu stehen kommen werden!

Wir werden die Grenzen nur nachhaltig zerstören können wenn wir auch die Ordnung umstürzen, die die Grenzen ermöglicht, hervorbringt und sie uns aufzwingen will. Der Kampf gegen die Grenzen ist unmittelbar verbunden mit unserem Kampf für die soziale Revolution, für ein würdevolles, selbstbestimmtes Leben ohne Ausbeutung und Herrschaft.