„Wir begegnen den Menschen auf Augenhöhe, das ist nicht mehr so autoritär wie früher.“

Community Policing und Bürgerwehren

Das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung in Österreich ist angeblich angeschlagen. Die Bürger und Bürgerinnen verlangen nach mehr „Sicherheit“, was auch immer sie damit meinen. Die Politik und verschiedene rechte Gruppen „bieten“ neben der Aufrüstung der Polizei u.A. zwei Möglichkeiten an, um das zu bewerkstelligen: community policing und Bürgerwehren. Dabei handelt es sich bei beiden um Werkzeuge zur weiteren Einschränkung der individuellen Freiheit und zum Kampf gegen Alles, was nicht ins kapitalistische Bild passt. Grund genug, dass wir uns als AnarchistInnen mit dieser Scheisse auseinandersetzen.

Community Policing ­ „Gemeinsam Sicher“ ?

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Ein umgestaltetes Plakat in England nennt „Community Policing“ beim Namen: „Spitzel in der Nachbarschaft“.

Dieses Konzept besteht aus verschiedenen Komponenten, die eine Integration von Polizeiarbeit in den öffentlichen Bereich, also in die Gesellschaft forcieren soll. Bereits seit den 2000er Jahren wird im Innenministerium damit herumspekuliert, als handfestes Projekt startete es im April 2016 in verschiedenen ausgewählten Pilotgemeinden, u.A. in den Bezirken Mödling, Schärding, Eisenstadt und Graz. Diese Experimente laufen bis Ende 2016, werden dann evaluiert und anschließend auf ganz Österreich ausgeweitet – nach dem Vorbild der USA und England, wo dieses Konzept bereits seit Jahr(zehnt)en praktiziert wird. Die Grundidee ist, dass sich BürgerInnen aktiv in die Polizeiarbeit einklinken, d.h. in der Praxis: sich gegenseitig überwachen und kontrollieren, Informationen an die Bullen weitergeben, gegenüber „verdächtigen“ und „fremden“ Personen im Dorf oder Bezirk besonders achtsam sind, usw. usf. Das Konzept sieht jedoch – anders als bei Bürgerwehren – vor, dass das Gewaltmonopol einzig und allein beim Staat, bzw. der Polizei bleibt. Das Projekt „Gemeinsam Sicher“ will die BürgerInnen also durch Denunziantentum, Anschwärzen, Kontrollieren und Überwachen beteiligen, die „Drecksarbeit“ machen dann die Bullen. In der

Projektbeschreibung heißt es: “Bürgerorientierte Projekte wie Community Policing (Zusammenarbeit der Polizei mit den Bürgern, der Nachbarschaft und der Gemeinde) sollen helfen, die Kriminalität zu reduzieren, „Unordnungen“ wie Straßenstrich, Graffiti oder aggressive Bettelei zu vermeiden sowie die Beziehung zwischen Bürger und Polizei zu verbessern.”

Somit geben diese Prediger der Bürgerbeteiligung ganz offen und ehrlich zu, worum es ihnen dabei geht, nämlich um die Bekämpfung von Kleinkriminellen, Graffiti­SprüherInnen, SexarbeiterInne n und BettlerInnen – kurz: um die Bekämpfung von Armen. Also die Bekämpfung derer, die in dieser Gesellschaft ohnehin schon die Arschkarte gezogen haben und dazu genötigt werden, auf eine nicht­reguläre Art ihr Geld zu verdienen oder ähnlichen Tätigkeiten nachzugehen.

Demokratische Entwicklungen

Diese Entwicklung in Richtung der Ausweitung von Kontrolle und Überwachung auf ALLE Gesellschaftsbereiche kommt nicht von ungefähr – das Konzept funktioniert bereits in anderen Ländern. Die Demokratie, in der wir aktuell leben, kann es sich nicht mehr leisten, so autoritär wie früher aufzutreten. Nach den Erhebungen und Aufständen der letzten Jahrzehnte (vom „arabischen Frühling“ über Griechenland, Bosnien bis zu Spanien) versucht die Macht statt offensichtlicher Autorität und Gewalt stattdessen das Mittel der Partizipation zu etablieren. Statt, bzw. zusätzlich zum schlagstock­schwingendem Bullen sollen wir uns in Zukunft selber im Zaum halten – und dabei noch das Gefühl haben, wir wären ein aktiver Teil in diesem Spektakel. Die österreichische „Friedensforscherin“ Gruber über das Projekt „Gemeinsam Sicher“: „Jugendliche erlebten die Polizei erstmals nicht als strafendes Organ.“ ­ mehr Freiheiten haben sie dadurch allerdings nicht. Ein sehr aussagekräftiges Zitat, wie ich finde…

Bürgerwehren

Wie dieser Begriff bereits vermuten lässt, sind Bürgerwehren Zusammenschlüsse von Bürgern und Bürgerinnen, die sich gegen etwas Bestimmtes zur Wehr setzen (wollen). Die Zielsetzung ist dabei nahezu immer, den aktuellen Status Quo zu verteidigen oder zu erhalten. Bürgerwehren treten meist in gesellschaftlichen Extrem­Situationen auf, aktuell am besten zu sehen in der „Flüchtlingskrise“ und werden somit von ihren TeilnehmerInnen als Gefahrenabwehr begriffen. Das heißt, wenn der gesellschaftliche Zustand als „normal“ begriffen wird (also kapitalistische Ausbeutung wie immer, jedoch ohne sichtbare Extreme wie z.B. Flüchtlinge), werden sich tendenziell keine Bürgerwehren gründen. Erst wenn eine vermeintliche Bedrohungslage auftritt werden sie aktiv, um die bestehende Ordnung zu verteidigen. Im Moment herrschen in diesen Diskursen bei ausnahmslos allen ProtagonistInnen die Angst vor „Überfremdung“, Verlust der Heimat und Kultur und Angst vor Flüchtlingen vor. Es wurde bewusst durch die Medien und die Politik ein Bild der Bedrohung konstruiert und die Ängste der BürgerInnen geschürt und somit die Grundlage für ein solches Verhalten erst gelegt.

Faschistoide Tendenzen

Die Erfahrung zeigt, dass Bürgerwehren immer reaktionäre Ansichten vertraten und vertreten – von konservativ bis offen faschistisch. Aufgrund des Aufkommens dieser in „Extremsituationen“ zum Erhalt der Ordnung stehen sie von Natur aus auf der Seite von Staat und Kapital. Zwar stellen sie das Gewaltmonopol des Staates zumindest teilweise in Frage und setzen oftmals direkte Gewalt als Mittel gegen Andere ein, doch das macht sie aus anti­staatlicher Sicht

noch lange nicht zu den „Guten“. Als Anarchist finde ich es grundsätzlich unterstützenswert, wenn Menschen ihr Schicksal und ihre Belange selbst in die Hand nehmen, jedoch nur, wenn dieses Handeln eine subversive Perspektive der Befreiung beinhaltet: sprich die Gewalt muss gegen Jene gerichtet sein, die Unterdrückung hervorrufen und nicht gegen eine belie big austauschbare Minderheit (Flüchtlinge) oder ähnlich Marginalisierte, die unterdrückt werden. Es ist kein Zufall, dass die ersten öffentlich auftretenden Bürgerwehren der letzten Zeit (Eisenstadt im Sommer 2015; Wien Hippgasse ab 2016;…) offen von der FPÖ und anderen (radikal) Rechten beworben und mitbegründet wurden. Anstatt eine Perspektive gegen Autorität und Ausbeutung zu entwickeln, schlagen sie sich auf die Seite des Staates. Sie kämpfen somit nicht gegen den Staat, wie wir als Anar chistInnen das tun, sondern vielmehr mit ihm, weil sie sagen, dass die Polizei überfordert ist oder nicht hart genug durchgreift. Sie ergreifen selbst die Initia tive und gleichen die „Versäumnisse“ des Staates durch ihr Handeln aus. Das staatliche Gewaltmonopol wird also nicht angegriffen sondern sogar noch gestärkt und auf paramilitärische, loyale Bürgerwehren ausgeweitet.

Töte den Polizisten in deinem Kopf!

Es zeigt sich also – wenig überraschend – dass weder „community policing“ noch Bürgerwehren einen sogenannten Fortschritt in Richtung Befreiung darstellen können. Daher sehen wir es als AnarchistInnen als unsere Aufgabe an, gemeinsam mit Anderen und mit aller Kraft dagegen anzukämpfen. Nicht jedoch, um die bestehenden Verhältnisse beispielsweise gegen Bürgerwehren zu verteidigen, sondern ganz im Gegenteil, um mit Revolte und Subversion in Richtung Aufstand und somit in Richtung Freiheit zu drängen. Eine Gesellschaft wie diese, in der wir zu Waren und Nummern degradiert werden, hat keinen Schutz verdient. Wir werden sie zerstören und etwas Neues kreieren, denn wir wissen, dass unsere Fesseln nicht von selbst brechen werden…

Kein Pardon, kein Friede mit diesen Verhältnissen!