Smart City Wien

Die Expansion der Kontrolle im urbanen Raum

smart [smːt] intelligent, klug, schlau, schnell, listig, raffiniert, schnittig, tüchtig’

Smart’ gilt als neues Schlagwort des kapitalistischen Fortschritts. Smartphone, Smartmeter, Smarthome, Smart City … Nicht alle dieser ‘Smarts’ sind gleich, aber doch führen sie zu einem zentralen Punkt zurück: der Kontrolle mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien.

Die Welt in der wir leben wird von Tag zu Tag immer mehr digitalisiert und damit auch kontrolliert. Mit dem Smartphone kann jedes Individuum überwacht werden, mit dem Smartmeter kontrolliert der Stromanbieter den Energieverbrauch einer Wohnung, kann Rückschlüsse aus den gesammelten Daten ziehen und im Fall der Fälle schneller den Strom abstellen, unter Smarthome versteht man die sogenannte ‘intelligente Wohnung’ (mit Hilfe des Smartphones können alle Bereiche überwacht und gesteuert werden), die Smart City basiert auf einer effizienten, leistungsorientierten, ökologischen und hochtechnisierten Stadtplanung. Dazu werden riesige Datenmengen gesam­melt, abgeglichen und Konsequenzen daraus gezogen.

Wir befinden uns am Anfang eines Jahrhunderts, das von einer neuen Art der Kriegsführung, Umweltkatastrophen, einer verfeinerten wirtschaftlichen Ausbeutung und einer sich immer weiter verbreiternden und immer tiefer in alle Lebensbereiche vordringenden Technisierung geprägt ist. Die klimatischen Veränderungen werden Millionen von Menschen auf die Flucht schicken. Staaten und kapitalistische Profiteure reagieren darauf mit unterschiedlichen Konzepten der Nachhaltigkeit hin zu einem grünen Kapitalismus. Diverse Programme werden entworfen, die auf die Reduktion der globalen Erwärmung abzielen sollen. Die Städte expandieren, denn die Urbanisierung ist ein wichtiger Teil dieser Entwicklungen, die sich überall auf der Welt beobachten lassen. Während im Jahr 1913 noch 10% der Weltbevölkerung in Städten gelebt hat, waren es im Jahr 2013 bereits 50% und im Jahr 2050 sollen es rund 75% sein. Dass eine Massierung der Bevölkerung im urbanen Raum zu erhöhtem Konfliktpotenzial führt, ist eine Tatsache, der bereits mit unterschiedlichen polizeilichen, militärischen und sicherheitstechnischen Konzepten begegnet wird. Was aber, wenn die Städte der Zukunft von Grundauf an die veränderten Verhältnisse und dieses Gefahrenpotenzial angepasst wären? Heißt die Lösung Smart City? In einigen Städten werden bereits verschiedenste Formen der vorbeugenden Kontrolle und Überwachung angewendet. Die Polizei in Memphis (USA) arbeitet mit einem Datenanalysesystem, das mithilfe komplexer Algorithmen Muster in kriminellen Aktivitäten aufspürt, um so Trends identifizieren zu können. In verschiedenen Städten in den USA wurden Akkustiksensoren in Straßenlaternen eingesetzt, die auf Schüsse reagieren, und in Verbindung mit Überwachungskameras und Mikrofonen den Bullen dabei helfen sollen, Gegenden mit hoher Kriminalitätsrate besser zu kontrollieren. Ähnliche Konzepte zur Kriminalitätsvorbeugung werden gerade im Rahmen des ‘Open Bristol’-Projektes in England diskutiert.

Die smarte Stadt ist eine intelligente Stadt. Ein sich selbst regulierender Organismus. Ein sich ständig perfektionierendes Wesen, das in den Labors der multinationalen Konzerne gezüchtet wurde. Auch wenn die Umsetzungen und Definitionen an verschiedenen Orten etwas voneinander abweichen, so gibt es drei sich überschneidende Grundsätze für die smarten Städte: Urbane Energieproduktion und -verbrauch, urbaner Transport und Mobilität, Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Mittlerweile ist das Konzept so verbreitet, dass fast jede größere Stadt ‘smart’ werden möchte. Dieser Hype bietet eine vernetzte, kapitalistische Spielwiese für PolitikerInnen, GroßunternehmerInnen, ArchitektInnen, StädteplanerInnen und allen möglichen anderen Figuren, die ihren Vorteil wittern, an der perfekten Welt der Zukunft mitzubauen.

Machen wir den Planeten ein bisschen

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Wien als technologischer Entwicklungsstandort

Was bedeutet das für Wien? Das Projekt ‘Smart City Wien’ beschreibt sich folgendermaßen: „[…] Smart City […] intelligente und innovative Lösungen für den verantwortungsvollen und nach­haltigen Umgang mit Ressourcen. Für alle BürgerInnen soll dadurch die ökologische, ökonomische und soziale Leistungsfähigkeit gesichert werden.“ Bis zum Jahr 2050 soll Wien smart werden. Dass den ProfiteurInnen und PolitikerInnen in Wien seit einiger Zeit ein neues Konzept für die Stadt vorschwebt ist nicht unbekannt. Was hier so ökologisch, alternativ und sozial daherkommt hat im Grunde einen energiepolitischen und marktwirschaftlichen Kern. Wien soll zu einem technologischen Entwicklungsstandort ausgebaut werden. Der Zuzug von internationalen Konzernen soll Arbeitsplätze schaffen und Profite bringen. Außerdem soll das smarte Wien ein Zentrum der Forschung und Bildung werden. In diesem Kontext werden vor allem verschiedene Lösungen für den Ressourcen- und Energieverbrauch diskutiert. Diese Fragestellungen sind Teil diverser Energieforschungsprogramme der Europäischen Union, so wurde unter dem Vorsitz des Energieressorts der Europäischen Kommission der Strategische Energie- und Technologieplan (SET) entwickelt. Der SET-Plan soll über folgende Bereiche umgesetzt werden: Bioenergie, Speicherung von CO 2, Schaffung intelligenter Stromnetze Erforschung von Brennstoffzellen und Wasserstoff, effizientere und sicherere Nukleartechnologie, Photovoltaik, Windenergie, und natürlich Smart Cities. Dabei geht es vor allem um die Wettbewerbsfähigkeit im Bereich Umweltschutz- und Energietechnologie. Also auf der Grundlage der Emissionsreduzierung den Aufbau von Märkten für europäische Konzerne voranzutreiben. Wien hat sich dabei auf die Fahnen geschrieben sogenannte ‘Leuchtturmprojekte’ in diesen Bereichen zu realisieren, die dann für andere als fertiges Muster übernommen werden können. Das Konzept Smart City eröffnet durch die Einbindung moderner Technologie einen milliardenschweren Markt für Unternehmen der betreffenden Sektoren.

Nicht umsonst kommen die Ideen und Konzepte zu intelligenten Städten maßgeblich aus den Entwicklungsabteilungen der technischen Universitäten und von Großkonzernen wie Siemens, Cisco Systems und IBM. In Österreich sagen vor allem Siemens und verschiedene universitäre Einrichtungen der TU Wien oder das Austrian Institute for Technology, wo’s lang gehen soll.

Ideologie der Kontrolle

Was das Smart City Konzept in vielen Fällen versucht zu realisieren ist ein geregeltes System, das imstande ist etwaige Fehler auszugleichen. Also ein intelligentes System, das über ‘Datensammlung’ und der Analyse und dem Vergleichen fähig ist, Schlüsse zu ziehen und Korrekturen vorzunehmen. Dieses Vorgehen wird als Kybernetik bezeichnet. Die Kybernetik ist eine Wissenschaft des Steuerns eines bestimmten Systems odervKreislaufs.

Zum ersten Mal in der Geschichte repräsentiert die Technik den Geist der Epoche, das heißt, sie entspricht der geistigen Leere der Epoche. Die Beziehungen zwischen den Menschen können wie Beziehungen zwischen Maschinen betrachtet werden. Mit dieser Darlegung ist eine ganze Palette von Wissenschaften entstanden: Kybernetik, allgemeine Systemtheorie, etc. So verwandeln sich die wirklichen Probleme in technische Fragen, die dazu geeignet sind, auf technische Lösungen zu treffen, die von Experten – sagen wir hier von „Fachmännern“ – angebracht und von den Machthabern, den „Technikern“ der Entscheidungstreffung angewendet werden. Die Herrschaft verschwindet selbstverständlich nicht: dank der Technik hat sie den Schein einer Rationalisierung angenommen und sich selbst in eine Technik verwandelt.“ Miguel Amoros

In der smarten Stadt werden massenhaft Techniken angewendet, die der kybernetischen Logik entsprechen: Intelligente Systeme, die den Stromverbrauch steuern und Verkehrsflüsse regulieren, verschiedene Regelungstechniken die in Smart Buildings angewendet werden, die sich selbst regulierenden Energiesysteme, die Flut von Apps, die bestimmte Abläufe zu koordinieren, usw.

Doch das Projekt Smart City ist nicht die Ausnahme. Es bestätigt lediglich den Weg auf dem wir uns befinden. Nämlich, dass wir schon längst in einer Welt leben, in der Künstliche Intelligenz keine Zukunftsvision mehr ist sondern sich jeden Tag immer weiter entwickelt.

Die digitale Vernetzung ist auch nicht mehr lediglich auf einen Computer begrenzt. Sie hat sich zu etwas entwickelt das als ‘Internet der Dinge’ bezeichnet wird. Dies beschreibt jenen Vorgang, dass es immer mehr Geräte gibt die über das Internet oder ähnliche Netzwerke kommunizieren, zum Teil auch im Hintergrund aktiv sind. In den smarten Städten nimmt diese Vernetzung einen wichtigen Stellenwert ein.

Zur Eliminierung von Klassenkonflikten und Unruhen

Die smarte Stadt soll so weit als möglich die Probleme, die sich in den Ballungszentren der Gegenwart und Zukunft ergeben, bewältigen. Problemen wie Ressourcenknappheit, Kriminalität, Arbeitslosigkeit, etc. setzen die Architekten der intelligenten Städte einen grünen, smarten, hoch technisierten Kapitalismus entgegen. Dass die Bewohner dieser Städte ständig überwacht werden, ihre Gewohnheiten studiert und gewisse Abweichungen korrigiert werden sollen, davon wird meist nicht gesprochen. Aber das ist genau worauf dieses technokratische System abzielt, auf die Kontrolle des Individuums. All die sozialen Zugeständnisse mit denen die Verteidiger des Smart City Konzepts werben, sind reine Fassade für jenen Krieg, der seit geraumer Zeit gegen eine wirkliche Autonomie und Selbständigkeit des Menschen geführt wird. Die Technik dient dabei als Mittel zum Zweck, um den Klassenkonflikt zu eliminieren. Als AnarchistInnen und Antiautoritäre müssen wir uns eingestehen, dass die hier vorgestellten Grundlagen einer smarten Stadt keine idealen Voraussetzungen für einen subversiven Kampf bieten. Die totale Ausweitung der Kontrolle, die durch den Staat und die Profiteure des kapitalistischen Systems forciert wird, zielt nicht auf die Befreiung des Individuums ab. Die Technik ist nicht neutral, sie wird von der Autorität des Kapitals regiert. Deshalb wird jeder zukünftige Kampf, der auf dem Territorium des urbanen Raumes stattfindet, sich auch mit seiner Technik auseinandersetzen müssen.