Teile und Herrsche

Die Flüchtlinge als Vorwand für einen Frontalangriff der Herrschenden.

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„Divide et impera“, besagt eine alte lateinische Weisheit. Eine Weisheit, die von den Regierenden dieses Planeten beherrscht wird wie das Alphabet. Geteilt werden die Beherrschten in abstrakt geschaffene Kategorien, um zu verhindern, dass sie sich in der Unterdrückung der Anderen wiedererkennen. Wodurch ein gemeinsamer Boden für Revolte untergraben sowie Solidarität verhindert werden soll. Ein Teil der unterworfenen Bevölkerung wird meist dem anderen gegenüber privilegiert, wodurch diese dann meist mehr Komplizenschaft mit den Herrschenden und ihrer Ideologie als mit anderen Unterdrückten haben.

In dieser Situation finden wir uns mit den „Flüchtlingen“. Einer Kategorie, die zum einen verdeckt, dass es sich um tausende unterschiedliche Individuen handelt. Individuen, die oft das Moment der Flucht und auch der Internierung teilen, darüber hinaus aber unterschiedliche Ziele, Hintergründe, etc. haben. Andererseits verhindert die Kategorie „Flüchtling“ eine Perspektive zu entwickeln, die über Helfen und Unterstützen hinausgeht. Es bleibt dabei das Individuum auf den „Flüchtling“ zu reduzieren, dem man Sankt-Martin-mäßig die Hälfte des eigenen Mantels reicht, ohne zu erkennen, dass der Mantel den man da reichen will, der Mantel der Integration in das hiesige Bestehende ist. Anstatt zu erkennen, dass die Gründe, die die Menschen zu Flucht und Migration getrieben haben, die selben sind, die uns hier dazu zwingen unser Leben an die Arbeit zu verkaufen, uns vor Autoritäten zu beugen und unsere Verantwortung an der Urne abzugeben – Herrschaft und Ausbeutung.

Den anderen in seiner Individualität anzuerkennen erlaubt uns einen anderen Zugang. Denn im Kampf, beim Überwinden der Grenzen und in der Selbstorganisierung einzelner „Flüchtlinge“ können wir ein Verlangen nach Freiheit und Würde erblicken, das auch wir teilen, ein Verlangen, das die Basis für einen gemeinsamen Kampf gegen Staat und Kapital sein könnte. Doch Kämpfen, das kennt man in Österreich nicht. Was man kennt ist die Arme in den Schoss zu legen, Sudern und Schimpfen. Und das wie ein Radfahrer, nach oben buckelnd und nach unten tretend, auf Kategorien, die noch schlechter dastehen als man selbst. Lange schon müssen die „Ausländer“ herhalten, jetzt trifft es, spezifizierter, die „Flüchtlinge“.

Während die Regierung eine Gesetzesverschärfung nach der Nächsten durchsetzt, ist es für den „Österreicher“ – auch eine künstliche geschaffene Kategorie – viel wichtiger sich an Übergriffen einzelner „Flüchtlinge“ aufzuhängen. Übergriffe, die wohl niemand gut findet, außer vielleicht die Rechten, die versuchen daraus politisches Kapital zu schlagen. Sofern diese wirklich passiert sind und nicht erstunken und erlogen, was auch keine Seltenheit mehr ist, um das Klima gegen die „Flüchtlinge“ weiter zu vergiften.

Dies nimmt die Aufmerksamkeit vieler so gefangen, dass der Frontalangriff den die Herrschenden in diesem Land gerade unternehmen und der auf uns alle abzielt beinahe vollkommen untergeht. Es reicht aus diese Maßnahmen als Maßnahmen gegen die „Flüchtlinge“ zu verkaufen und der „Österreicher“ sagt Ja und Amen. Ohne zu sehen, dass die Messer, die jetzt gegen die „Flüchtlinge“ gewetzt werden, später die sein werden, die ihn ins eigene Fleisch schneiden. Schauen wir uns drei zentrale Beispiele dieses Angriffs an.

  1. Deckelung der Mindestsicherung

Begonnen wurde die Diskussion um die Deckelung der Mindestsicherung damit, dass migrantische Familien bzw. Familien mit Asyltitel angekreidet wurden. Dass gesagt wurde, dass diese zu viel bekommen, „unseren Leuten“ unser Geld wegnehmen, etc. Die Deckelung würde dem Einhalt gebieten. Die Deckelung würde dabei so funktionieren, dass Personen, die in einer Beziehung leben in der beide Mindestsicherung beziehen, diese auf einen gemeinsamen Satz gekürzt wird. Der österreichische Mindestsicherungsbezieher hat sich schon die Hände gerieben, zumindest wurde es medial so präsentiert, weil die „scheiß Ausländer“ nicht mehr sein Geld wegnehmen, ohne zu sehen, dass er von der selben Maßnahme betroffen sein wird, sofern sie eingeführt wird. Was die Politiker mittlerweile auch schon recht unverhohlen zugegeben haben.

  1. Einführung von (mit 1 Euro die Stunde entlohnter) Zwangsarbeit

Dasselbe gilt für den Versuch der Einführung von Zwangsarbeit, nach dem deutschen Hartz IV- Modell. Leuten, die Mindestsicherung beziehen, soll diese gekürzt werden, wenn sie nicht bereit sind gemeinnützige Arbeit, für 1 Euro die Stunde, auszuführen. Arbeiten wie zum Beispiel Museumsdienste oder das Ausreißen von Neophyten, also nicht einheimische Pflanzen. Auch hier waren „Migranten“ und Menschen mit Asyltitel der Vorwand um die Diskussion ins Rollen zu bringen. Nur um dann kaltschnäutzig hinterher zu schicken, „[Minister] Kurz hat nur pointiert herausgestrichen, dass die Ein-Euro-Jobs im Bereich Flüchtlinge besonders wichtig wären“, jedoch wenn das dann nicht für alle gilt würde das „dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen“, so Innenminister Sobotka.

  1. Beschluss der Notverordnung

Den politischen Führern des österreichischen Staates muss man schon eine gewisse Kreativität zugestehen. So wird die Notstandsverordnung, die als Ausnahmezustand-light gesehen werden muss, einerseits damit begründet, dass, wenn die – von der Regierung gesetzte – Obergrenze an „Flüchtlingen“ überschritten wird, ihnen, den „Flüchtlingen“, nicht mehr ausreichend Schutz und Unterkunft zugesichert werden kann, weshalb man sie dann gleich mit 2.200 Soldaten an der Grenze abwehren will – quasi aus humanitären Motiven. Andererseits, dass diese Überlastung, die genau bei 37.500 Menschen eintritt, zur Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit führt – also zum Notstand. Dass die Notverordnung erst bei Überschreiten der Obergrenze eintreten soll, ist den Hardlinern zu spät. Sie wollen sie so schnell wie möglich in Kraft sehen – wann genau, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.

Und auch wenn sich die Notverordnung vordergründig „nur“ gegen die „Flüchtlinge“ richtet, richtet sie sich doch gegen uns alle. Denn gleichzeitig ist sie ein großes militärisches Planspiel zur Aufstandsbekämpfung im allgemeinen. Eine reale Übung mit 2.200 die Grenze patroullierenden Soldaten, die an das neue Sicherheitspolizeigesetz, das Community-Policing und das Militär im Inneren nahtlos anknüpft.

Der österreichische Staat rüstet sich gegen einen konstruierten äußeren Feind, die „Flüchtlinge“. Bleibt nur die Frage wann er gegen die inneren Feinde losschlagen wird und wen der Staat zu solchen erklären wird. Jedoch zeigen die Entwicklungen von weniger als zwei Jahren in welche Richtung es geht: In Richtung repressiver Restrukturierung von Staat und Arbeit. Und auch wen es trifft und treffen wird: Die Armen, die Arbeiter und jene, die dem etwas entgegenstellen wollen sowie jene, die nicht bereit sind im Gleichschritt mitzulaufen. Im Kampf gegen diese Angriffe der Herrschenden darf es nicht darauf ankommen wo jemand herkommt, sondern wo derjenige hin will: Freiheit oder Unterwerfung.