Was sich in den letzten Monaten in Europa abspielt, ist eine neue Realität des globalen Krieges, der schon seit geraumer Zeit in nahezu allen Teilen der Erde geführt wird. Durch die Flucht von Hunderttausenden Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan bekommt diese Entwicklung ein neues Gesicht. Sie flüchten vor den Kriegen, zu denen Europa und die USA in den letzten Jahrzehnten einen guten Teil der Grundlagen geliefert haben. Zu diesen Grundlagen zählen: Waffengeschäfte, wirtschaftliche Ausbeutung, Destabilisierung (Wir stützen damit nicht die Theorie der sogenannten ‘Failed States’, denn der Staat ist immer ein Hauptverantwortlicher für Ausbeutung und Unterdrückung; Faschistische/Islamistische/Autoritäre Gruppen sind nicht gegen den Staat, sie haben lediglich unterschiedliche Konzeptionen des Staates: Sie alle wollen einen Staat errichten, oder setzen die Logik des Staates fort…), sowie die Unterstützung von diversen Regimen und islamistischen Gruppen. Andere Geflüchtete kommen aus den Westbalkanstaaten, dem Kosovo, Albanien, Mazedonien und Serbien. Aus jener Gegend, die seit Jahrzehnten von Bürgerkriegen, ethnischen Konflikten, Korruption und fehlenden Lebensgrundlagen gezeichnet ist. Und so nebenbei jener Hinterhof Europas, der versucht, um jeden Preis und damit gegeißelt von allen möglichen Formen der politischen und ökonomischen Erpressung, in die EU zu drängen. Weiters kommen Menschen aus verschiedenen Ländern Asiens und Afrikas, die von offiziellen und inoffiziellen Kriegen zerrüttet sind und/oder ökonomisch ausgebeutet werden. Insgesamt sind (wenn man den offiziellen Statistiken glauben will) im Jahr 2015 1.5 Millionen Menschen in die EU geflüchtet.
Zusammen mit der Konfrontation Mitteleuropas mit einer relativ großen Zahl an Geflüchteten, steigt auch die breitere Mobilisierung der Rechten und FaschistInnen gegen diese Entwicklungen. Nicht, dass es diese Aktivitäten nicht schon in den letzten Jahren in hohem Maße gegeben hätte. Beispielsweise durch die verschiedenen Massenmobilisierungen im Zusammenhang mit Pegida. Aber wenn wir unsere Augen auf Österreich richten, so hat es speziell im letzten Jahr eine immer stärkere Annäherung zwischen faschistischen und rechts-konservativen Gruppen gegeben. Im Zuge der Verbreitung von diversen europäischen Ängsten wittern sie ihre Chance, ihren chauvinistischen, sicherheitspolitischen und rassistischen Abfall zu verbreiten. Auf einem Niveau, das auf mythologischen Verklärungen (Religion/’Kultur’), Verteidigung der ‘Interessen’ der eigenen Leute, was bei näherer Betrachtung immer die Interessen des nationalen Unternehmertums und der Wirtschaft sind (Wirtschaft/Nationaler Kapitalismus) und auf rassistischen Fehlinformationen, der Verbreitung diverser Verschwörungstheorien und einer starken Führung des Staates (Politik) beruht. Damit beziehen sie sich auf so ziemlich jede Herrschaftsmethode, die in den letzten 2000 Jahren entwickelt wurde. Die FaschistInnen sind jedoch lediglich eine unangenehme Spitze des Eisberges. Der Moloch an staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen, der sich innerhalb der Gesellschaft befindet, der die Gesellschaft und ihre Normen ausmacht, ist die Grundlage für jede Form der Unterdrückung, Autorität und Disziplinierung. Staat und Kapital sind in ihr untrennbar miteinander verbunden. Die Militarisierung nach der die Rechten, Konservativen, FaschistInnen, aber auch Teile der Linken, DemokratInnen und andere autoritätshörige Arschlöcher verlangen, wird immer vom Staat umgesetzt, um den Fortbestand der kapitalistischen Souveränität, des Profits, der Kontrolle und der Ausbeutung zu gewährleisten.
Der Beginn…
Als im August 2015 Mazedonien seiner Position als Vorposten für die EU nicht mehr stand hielt und davor schon durch Gesetzesaufweichungen dem Druck an der Grenze nachgab, war das der Auslöser dafür, was heute in Europa als ‘Flüchtlingskrise’ bezeichnet wird. Damit, dass die mazedonische Polizei ihren Grenzschutz fallen ließ, begann ein Dominoeffekt, der sich bis nach Deutschland reproduzieren sollte. In Österreich zeichnete sich bereits einige Monate davor ab, was im späten August dann passierte. Im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen schliefen bereits im Mai die Leute auf dem Boden und wurden nicht mit den nötigsten Mitteln versorgt. Die Solidarität, die viele zeigten, ging meist nur sehr selten über humanitäre Hilfeleistungen hinaus. Eine Tatsache, die sich in Österreich bereits in anderen Kämpfen gezeigt hat. Der österreichische Staat ging wie so oft von Anfang an den Weg des ‘geringsten Widerstandes’. Die schlechte Versorgungslage in Traiskirchen, und später auf den verschiedenen Bahnhöfen und ‘Durchzugsorten’, wie dem ‘Grenzübergang’ Nickelsdorf, gehörte mit zur Kalkulation des österreichischen Staates, Österreich als unattraktives Asylland darzustellen. Der Staat war in keinem dieser Fälle mit der Situation überfordert! Die Mittel wurden aus purer Absicht nicht zur Verfügung gestellt. Dazu passt auch die Taktik der ÖBB (Österreichische Bundesbahnen) Personenzüge zur Verfügung zu stellen, um die Geflüchteten an die deutsche Grenze zu schaffen. Die Ereignisse in Traiskirchen ließen schon sehr viel von dem erahnen, was sich dann ab August 2015 ereignen würde. Erst wurden die Flüchtlinge bis nach Deutschland durchgewinkt, um danach im Windschatten des großen deutschen Bruders zu segeln.
Selbstorganisierung oder Rekuperation?
Seit Mai, als die Überbelegung und schlechte Versorgung in Traiskirchen immer akuter wurde, begannen die ersten solidarischen Selbstorganisierungsversuche. Kein Bundesheer, keine Polizei, und in vielen Fällen auch keine anderen offi ziellen Organisationen, wie beispielsweise die Caritas waren daran beteiligt. Eine für Österreich relativ ungewöhnliche Sache. Wobei sich diese solidarische Hilfe auf die Organisierung von materieller Unterstützung beschränkte und keinen gemeinsamen Kampf zum Ziel hatte. Als sich im August schließlich die Lage in Ungarn immer mehr verschlimmerte, beteiligten sich außerordentlich viele in Form von Fluchthilfe und brachten die Geflüchteten aus Ungarn mit Hilfe selbstorganisierter Autokonvois nach Österreich. In den Monaten September und Oktober waren schließlich viele Leute damit beschäftigt auf den Bahnhöfen die ankommenden und abfahrenden Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Alle Initiativen wurden anfänglich ohne staatliche Unterstützung oder Unterstützung von anderen Institutionen realisiert. Am Wiener Hauptbahnhof bestehen die Reste dieser Strukturen immer noch weiter. Erst später schalteten sich Bundesheer und Caritas ein. In Spielfeld wurde dann vielen solidarischen HelferInnen bereits der Zugang von Militär und Polizei verweigert.
Was von den Medien am Ende des Sommers zum Teil so gefeiert wurde, dass Österreich sein menschliches Gesicht zeige, war keine Initiative des Staates, sondern ein selbstorganisiertes Vorgehen der verschiedensten Menschen. Die Vereinnahmung durch die Politik, die Anklage österreichischer PolitikerInnen gegen das Vorgehen Ungarns ist angesichts der üblichen Auseinandersetzung Österreichs mit MigrantInnen (Kriminalisierung, Jagd, Einsperrung, etc…) lediglich eine Farce. Wir halten es außerdem für schwierig, das Krisenmanagement für den österreichischen Staat zu übernehmen. Der Staat schneidet uns von allen Mitteln und Grundlagen ab, eine Versorgung die nicht auf Profitzwängen und Almosen basiert, selbst organisieren zu können. In diesem Falle stellen wir uns die Frage, ob es nicht eine Perspektive gewesen wäre, Enteignungen (z.B. Besetzungen von Häusern oder strategischen Punkten) und andere Massenaktionen durchzuführen um sich dieser Grundlagen selbst zu bemächtigen. Eine Frage, die wir hier nur vage zur Diskussion stellen können. Auch wenn wir uns über die Rekuperation und den Reformismus dieser Entwicklungen völlig im Klaren sind, so sollen sie doch erwähnt bleiben, vorallem deshalb weil es gerade für Österreich in diesem Umfang eher untypisch ist.
Panik auf der ‘Insel der Seeligen’
Nachdem sich die österreichische Politik einige Zeit in der ‘christlichen Nächstenliebe’ seiner BürgerInnen gesonnt hatte, kam der Bruch dann relativ schnell. Das zeichnete sich durch den breiteren Einsatz von Bullen und Soldaten an Österreichs Grenzen ab. Wobei die österreichische Politik sich in ihrer ‘Anschlussmentalität’ in solch heiklen Fragen immer schon an das deutsche Leitbild gehalten hat. So kam es, als Deutschland als erstes EU-Land innerhalb des Schengenraumes wieder Grenzkontrollen einführte, und die Slowakei, die Niederlande und auch Österreich diesem Beispiel folgten. Gerüchte über IS-Kämpfer die sich in die Flüchtlingsströme mischen würden, um nach Europa zu kommen, wurden laut. Die Anschläge vom 13. November in Paris wurden ebenfalls für die Spaltung zwischen den ‘Fremden’ und ‘Uns’ genutzt. Ein konfuses ‘Uns’, von dem keiner weiß, was es zu bedeuten hat. Und wie viele andere Orte in Europa wird auch Österreich wieder von seinen alten Geistern heimgesucht: Jenen des Faschismus und Rassismus. In Wien, an der burgenländischen Grenze, in Oberösterreich, in Spielfeld, und an anderen Orten dieses kleinen Landes. Die Haltung der politischen Klasse hat die Panik im ‘Volk’ und den Aufschwung von Verschwörungstheorien und Rassismus nur noch weiter befeuert. Und während militarisierte Zonen an den Grenzen entstehen und das österreichische Bundesheer, das für einige Zeit schon als Relikt einer bereits vergangenen Ära gehandelt wurde, zusammen mit den Bullen an den Grenzen patrouilliert, treibt es die Linke lediglich dann auf die Straßen, wenn die FaschistInnen ihr Gesicht zeigen. Es ist fraglich ob eine Mentalität des Bürgerkrieges in dieser Situation besonders schlau ist. Denn eine Auseinandersetzung um Eigentumsverhältnisse, Arbeitszwang, Ausbeutung und der Kritik an Politik und Staat vermissen wir in den meisten aktuellen Diskursen. Im Gegensatz dazu hat die Linke alles auf ein verkürztes ‘Refugees Welcome’ heruntergebrochen: Ein von humanitärer Selbstbefriedigung und von Schuldgefühlen berauschtes ‘Refugees Welcome’ konkurriert mit einem feigen, selbstgerechten und feisten ‘Wir sind das Volk’. Wenn ihr, bezugnehmend auf den kleinen Grenzort südlich von Graz, sagt: ‘Kein Spielfeld für Nazis!’ Dann sagen wir: Ja, ihr habt Recht, aber das ist nicht genug, denn es muss auch und vor allem heißen: ‘Kein Spielfeld für Bullen, Militär, Aufrüstung, Staat und Grenzen!’ Die Rechte ist in jedem Nationalstaat ein Instrument zur Bewahrung der Eigentumsverhältnisse, der nationalen Sicherheit, der nationalen Interessen/ Klassenverhältnisse (Unternehmertum). Sie ist die Absicherung, dass in Zeiten der Krise der Staat nicht zu sehr von zersetzenden Bewegungen in Mitleidenschaft gezogen wird, die verständlicherweise seine Autorität untergraben und sich in vielen Fällen auf einem Niveau der Selbstorganisierung und der Horizontalität befi nden. Also Dynamiken, die wir als AnarchistInnen als etwas Positives betrachten. Das lehnen die PatriotInnen, ChauvinistInnen, NationalistInnen und FaschistInnen ab. Sie brauchen den Staat und die Autorität als Grundlage ihrer Ideologie. Deshalb versucht sich die Rechte auch immer wieder in den Dienst der ‘Stabilisierung’ des Staates zu stellen. Es gibt unzählige historische Beispiele, wo das funktioniert hat. In diesem Sinn ist die Rechte ein wichtiger Teil und Instrument der staatlichen Ordnung.
Diese Ordnung wird nicht notwendigerweise ausschließlich durch die herrschenden Parteien bestimmt, auch wenn diese Teil davon sind. Wir sagen auch nicht, dass man nichts gegen diese Entwicklungen der Rechten machen sollte, viel eher finden wir, dass es kein Auseinanderdividieren des Staates und seiner Werkzeuge geben darf. Der Faschist versteht in seinem Weltbild lediglich die Gewalt. Ihr huldigt er, vor ihr hat er Respekt. Deshalb verlangt er auch nach ihr, wo immer er auftritt. Deshalb ist es auch eine logische Kampfmethodik, sie ihm in ihrer reinsten Form zu geben! Wir dürfen aber nicht vergessen, was die Wurzel, die Grundlagen, die Ursachen sind. Die FaschistInnen sind lediglich eine mögliche Ausformung des Ausnahmezustandes. Das Militär, die Bullen, die vielen anderen Kontrollelemente, die der Zement sind, der das moderne Panoptikum zusammenhält, sind der zentrale Teil dieser Struktur. Die Medien und anderen MeinungsmacherInnen, sie befeuern in ihrer Hysterie die Dummheit, die Panik und den Voyeurismus. Der grassierenden Angst wird mit mehr Sicherheitsvorkehrungen geantwortet, die lediglich darauf abzielen die staatliche Kontrolle auszuweiten. Die geplante Einführung des neuen ‘Staatsschutzgesetzes’ und die Diskussionen rund um die gesetzlichen Möglichkeiten zur Verhängung des Ausnahmezustandes sind lediglich die offensichtlichsten Beweise.
Die Logik der Angst
Angst ist ein schlechter Ratgeber beim Treffen von rationalen Entscheidungen. Dies ist eine unumstößliche Tatsache in allen Belangen. In Zeiten der Angst neigen die Menschen dazu, und das trifft vor allem auf zutiefst reaktionäre und konservative Staaten wie Österreich zu, dass jeder die Klappe hält und alles tun um ihre eigene Haut zu retten, anstatt sich mit anderen solidarisch zu verhalten, zu kritisieren und sich gegen die Autorität zur Wehr zu setzen. Der Staat hat diese Befürchtungen immer gewusst für sich zu nutzen. In Österreich wurde die erhöhte Sicherheitsstufe, was in den letzten Monaten mehr Polizei auf den Straßen bedeutete, nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo gar nicht mehr ausser Kraft gesetzt, sie wird seit dem Jänner 2015 angewendet. Das ist auch kein Geheimnis, Peter Gridling (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung BVT) hat das selbst, nach den Anschlägen vom 13. November in Paris, in einem Interview bestätigt. Diese Stimmung begünstigt eine Reihe von Überlegungen, die dem Staat weitere Mittel zur Überwachung und Kontrolle in die Hände legen sollen. So werden aktuell die gesetzlichen Grundlagen zur Einführung einer Notstandsgesetzgebung geprüft und am 19. Jänner soll das neue ‘Staatsschutzgesetz’ beschlossen werden. Dieses beinhaltet eine umfangreiche Ausstattung des BVT mit nachrichtendienstlichen Befugnissen. Seit Jahren trainieren sowohl das österreichische Bundesheer als auch die Polizei vermehrt Aufstandsbekämpfung. Erst im Sommer gab es wieder ein gemeinsames Manöver von Bundesheer und Polizei. Daneben werden weitere finanzielle Mittel in die Ausrüstung des Bundesheeres gesteckt, um im Bereich ‘Riot- und Crowdcontrol’ besser agieren zu können. Also eine schrittweise Öffnung des Militärs für polizeiliche Aufgaben und umgekehrt. Damit wird die Kontrolle des Staates in Zeiten der Krise, der Angst und des Krieges immer mehr ausgebaut. Ein aktuelles Beispiel haben wir in den letzten Monaten in Spielfeld, an der österreichischen Grenze zu Slowenien gesehen, wo Bullen und Militär gemeinsam für den ‘Grenzschutz’ verantwortlich waren, und eine militarisierte Sicherheitszone aufgebaut hatten.
An denjenigen, die in ihrer Panik nichts anderes zu tun wissen, als nach einer starken Hand zu schreien, sehen wir, wie tief sich die Verwurzelung der Regierungstechniken und die Methoden der Macht und Kontrolle in die Körper der Untergebenen eingeschrieben haben, dass sie nach ihrer eigenen Unterdrückung verlangen, ohne es zu merken. Das ist eine Schwierigkeit. Eine Hürde die wir überwinden müssen. Die Verblödung durch Medien und Spektakel hat Spuren hinterlassen. Die Masse richtet sich nach jenen, die am lautesten schreien können und die einfachsten Antworten liefern. Auch eine sehr österreichische Angelegenheit. Dieses Verhältnis zu durchbrechen ist eine grundlegende Aufgabe. Ohne eine Bewußtwerdung über die wahren Ursachen unserer Knechtung, läuft die Revolte Gefahr sich in den Fallen der Reaktion und des Nationalismus zu verirren. Als Individuen, die die Freiheit für alle Menschen verlangen, müssen wir an vielen Fronten aktiv sein, und der Autorität überall gegenübertreten, wo sie versucht zu disziplinieren, auszubeuten und zu morden.