In Richtung totalitären Staat

Das polizeiliche Staatsschutzgesetz

6Es ist beschlossene Sache: Das „polizeiliche Staatsschutzgesetz“ (PStSG ) ist durch und tritt ab 1. Juli 2016 in Kraft. Es ist ein weiterer Mosaikstein in einem immer klarer werdenen Bild. Nur das es kein Kunstwerk ist, sondern das Abbild eines gläsernen Gefängnisses unter offenem Himmel.

Dabei profitiert das PStSG, das wir unten genauer besprechen, vor allem von kürzlichen Reformen, die für sich genommen nicht weiter gefährlich wirken, in Kombination jedoch den Boden für die totale Kontrolle geliefert haben. Sie alle schlugen und schlagen in die selbe Kerbe: Zentralisierung, Digitalisierung und Zugänglichkeit von Daten. Was damit einhergeht ist die zunehmende Möglichkeit zur „totalen“ Überwachung aller. Wer den Sicherheitsdiskurs der letzten Jahre, auch nur ein bisschen mitverfolgt hat, weiß, dass Österreich damit weder alleine dasteht, noch eine originelle Position inne hat. Sondern, dass der österreichische Staat nur einem bereits vorgetrampleten Pfad nachstapft. Den vor allem auch die EU geebnent hat, durch Projekte wie INDECT und die verordnete, aber vom Verfassungsgerichtshof gekippte, Vorratsdatenspeicherung.

Wie wir in der letzten Ausgabe (Revolte Nr. 1) analysiert haben, wird der Ausnahmezustand immer mehr zum „neuen Normal“ der Herrschaft. Ende Jänner wurde unsere Einschätzungen nochmals bestättigt durch die Ankündigung Frankreichs, den Ausnahmezustand bis zur Vernichtung des IS aufrecht erhalten zu wollen. Ein zentrales Element des Ausnahmezustandes ist die Prävention. Der Ausnahmezustand wird damit legitimiert, dass eine zwar konkrete aber trotzdem diffuse Gefahr besteht. Weil der Feind diffus ist, weil er nicht genau festgemacht werden kann, ist potentiell jeder und jede der Feind. Weil jede eine potentielle Feindin ist, muss jede überwacht werden, die potentiell etwas machen könnte; Muss das Territorium mit immer mehr Kameras, militarisierten Bullen etc. überschüttet werden; Müssen die Bullen mit immer mehr Kompetenzen ausgestattet werden uns so weiter. In Zeiten der Krise, in der das Vertrauen in den Staat und seine Vertreter bröckelt, ist das eine logische Entwicklung. Schmeckt das Zuckerbrot nicht länger oder wird an seiner Rezeptur gezweifelt, muss die Peitsche geschwungen werden und kann man noch niemanden konkret peitschen, kann man zumindest damit ordentlich in die Luft schnalzen. Dabei muss der Ausnahmezustand als Methode des totalitären und des faschistischen Staates benannt werden. So gesehen leisten die französischen Sozialdemokraten gerade Marine Le Pen – der Vorsitzenden der neofaschistischen Front National – einen Bärendienst, sollte diese nächstes Jahr zur Präsidentin gewählt werden.

Wir Anarchistinnen und Anarchisten, kämpfen gegen jeden Staat, weil der Staat das materielle Fundament von Herrschaft und Ausbeutung ist. Aus diesem Grund verweigern wir eine Einteilung in demokratische Staaten = gut und totalitäre Staaten = böse. Was natürlich nicht bedeutet, dass wir die Unterschiede ausblenden. Ganz im Gegenteil, jedoch beharren wir darauf, dass sie Teil derselben Logik sind und dass jeder Staat je nach den Umständen seine Verwaltungmethode (z.b. Demokratie, Faschismus) ändert, anpasst oder wechselt, um weiter zu bestehen.

Tritt die Restrukturierung in Richtung totalitären Staat, die immer konkreter wird, wirklich ein, wird sich das Leben von uns allen bedeutend verändern. Für uns heißt das, dass wir uns darauf einstellen müssen, dass wir uns vorbereiten müssen und dass wir die richtigen Antworten darauf finden müssen.

Das neue „polizeiliche Staatsschutzgesetzt“ ist ein entscheidender Schritt in diese Richtung, deshalb schauen wir uns hier seine zentralen Punkte an:

– Wie der Name „polizeiliches Staatsschutzgesetz“ schon andeutet, verleiht es der Polizei, genauer, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), welches eine polizeiliche Behörde ist, Geheimdienststatus.

– Dieses Amt hat ab 1. Juli, die Befugnis uns alle – ohne richterliche Anordnung und Kontrolle – zu überwachen. Auf Basis einer Liste sogenannter „verfassungsfeindlicher Angriffe“, ohne das man diese geplant oder ausgeführt haben muss, sondern einfach aufgrund der Unterstellung, dass man sie ausführen könnte (Präventionselement). Der „verfassungsfeindliche Angriff “ an sich ist sehr schwammig definiert, zwar gibt es eine Deliktliste, jedoch reicht „religiöse oder ideologische Motivation“ aus.

– Dabei darf das BVT auf alle Daten von allen Behörden und Firmen zugreifen, ohne Richter oder Staatsanwalt. Doch was heißt das, alle Daten aller Firmen und Behörden? Zum Beispiel: Das BVT kann jede Facebook-Kommunikation nach/mitlesen, alle Reisebewegung und alles was man im Internet macht analysieren und nebenbei in der digitalen Krankenakte ELGA stöbern.

– Kontrolliert wird lediglich vom “Dreiersenat” (der interne Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums und seinen zwei Stellvertretern – zwei pensionierten Richtern). Doch selbst dem „Dreiersenat“ kann das BVT Akteneinsicht verweigern, um die Identität ihrer Zeugen zu wahren.

– Das BVT darf all diese Daten, die durchaus die sexuelle Orientierung, Gesundheitszustände, Beschäftigungsverhältnisse, Affären, Gewerkschaftszugehörigkeit und vieles, vieles mehr umfassen können, 6 Jahre speichern. Wer auf diese Daten zugreift wird hingegen nur 3 Jahre gespeichert.

– Gepeichert wird in der „Gefährderdatenbank“. Hat man die Ehre in dieser Datenbank zu landen, haben auch alle Freunde, Verwandte, etc. mit denen man in Kontakt steht, die Ehre in dieser Datenbank – als sogenannte Kontaktpersonen – zu landen. Geht das BVT davon aus, das man einen „verfassungsfeindlichen Angriff “ begehen könnte – wobei es wie beschrieben, ausreicht, das man ihn begehen könnte – darf munter zur Observation geschritten werden. Dabei ist die erlaubte Dauer der Observation von 3 auf 6 Monate verlängert worden, wie geschrieben, ohne richterliche Anordnung oder Überprüfung.

– Im Rahmen der Observation dürfen ohne weiteres Bild- und Tonspuren aufgenommen werden – auch hierfür war bisher eine richterliche Einwilligung notwendig. Es dürfen IMSI-Catcher eingesetzt werden, Geräte, die Handys oder Computern einen Knotenpunkt simulieren, jedoch eine Zwischenschaltung der Cops sind, die es der Polizei in Echtzeit ermöglicht mitzulesen oder zu hören. Außerdem dürfen Peilsender an von observierten Personen verwendeten Vehikeln angebracht werden, beziehungsweise wird einfach auf das schon existierende, mittlerweile fast das gesamte Straßensystem (außer manchen Landstraßen) überziehende Netz von Kameras zurückgegriffen werden, um punktgenaue Bewegungsprofile erstellen zu können.

– Zusätzlich können Überwachungsbefugnisse für ganze Gruppen ausgestellt werden, wobei nicht definiert wird, was eine Gruppe ist oder wann genau eine Person einer Guppierung zuzurechnen ist.

– Reicht das alles nicht aus, darf das BVT auch bezahlte Vertrauenspersonen – also Spitzel – anwerben, welche auch in Prozessen zugelassen werden, wobei ihnen ermöglicht wird, ohne ihre Identität preis zu geben, Aussagen zu machen. Es bedarf dabei von Seiten des BVTs keine Begründung wieso ein Spitzel als vertrauenswürdig eingeschätzt wird. –

– Auch der Austausch der in der „Gefährderdatenbank“ gespeicherten Personen und ihrer Daten, mit internationalen Behörden (Geheimdiensten), ist explizit vorgesehen.

Keine Illusionen und keine Paranoia

Wir machen uns keine Illusionen: Dieses Gesetz zielt auf unzählige Leute ab – uns mit eingeschlossen. Gleichzeitig ist es wahrscheinlich, dass es anfangs nur bei wenigen Leuten Anwendung finden wird. Denn die Installierung dieses Gesetzes an sich ist schon ein Präventivakt. Selbst wenn es nochmal vom Verfassungsgerichtshof gekippt werden sollte, zeigt es, was unsere Regierenden mit uns vorhaben. Sollte es nicht mehr gekippt werden, wird es nicht die letzte Verschärfung gewesen sein, sondern der Boden für die nächsten. Keine Illusionen in die Politik: Regiert zu werden, wird immer bedeuten verwaltet, überwacht und kontrolliert zu werden. Welchen Härtegrad die Regierenden dabei einschlagen hängt von der Intensität des Klassenkampfes und der sozialen Spannungen ab. Sind diese gering, kann sich der Staat gönnerhaft geben, nehmen sie zu, fährt er seine Klauen aus. Deshalb keine Illusionen auf eine gerechtere oder transparentere Überwachung, sondern gegen jeden Staat und jede Regierung.

Paranoia hilft jetzt genauso wenig wie Illusionen. Die absolute Repression und Überwachung sind ein Mythos. Der Staat und Konzerne können nie alles überwachen – jedenfalls noch nicht – und ein wesentlicher Teil hängt von uns selbst ab. Unterdrückung und Ausbeutung bauen immer auch auf die freiwillige Knechtschaft der Beherrschten.

Kommunizieren wir über leicht überwachbare Kanäle wie Facebook und Co, ist es klar, das die Konzerne und der Staat mitlesen und unsere Beziehungen analysieren. Nehmen wir überall und immer unser Handy mit, ist klar, dass sie Bewegungs- und damit Gewohnheitsprofile von uns erstellen. Posaunen wir weiterhin jeden Scheiß online hinaus, ist es klar dass dies registriert wird. Genauso müssen wir in der realen Welt ein gewisses G’spür entwickeln, wem wir was anvertrauen.