Vor einigen Ausgaben haben wir bereits einen Artikel veröffentlicht, der sich mit der Situation der AnarchistInnen aus Spanien und Holland beschäftigt, die in Aachen (Deutschland) in Untersuchungshaft sind, weil ihnen einige Banküberfälle in den Jahren 2013 und 2014 vorgeworfen werden. Die Gefährtin aus Holland wurde mittlerweile wieder aus der U-Haft entlassen, aber die beiden GefährtInnen aus Spanien sind immer noch in Aachen inhaftiert und warten auf den Prozess. Die ersten Verhandlungstage sind für Januar 2017 anberaumt.
In den letzten Monaten wurde die Repression und Inhaftierung der drei AnarchistInnen von solidarischen Gesten und direkten Aktionen, an unterschiedlichen Orten in Spanien, Griechenland, Belgien, Finnland, England, Portugal, Holland, Deutschland, Frankreich und Österreich begleitet. Es wurden Broschüren und Flugblätter publiziert und verteilt, Plakate aufgeklebt, Veranstaltungen organisiert, Wurfzettel in Umlauf gebracht, Graffities gesprayt und verschiedene Bankfilialen angegriffen. In Wien wurden 10.000 Wurfzettel hinterlassen, Slogans an die Wände der Stadt gesprüht und einige solidarische Vandalen haben sich in der Nacht an ein paar Bankfilialen „ausgetobt“.
Beim vorübergehen an den besprühten Wänden mag es vielen absurd erscheinen, dass es Leute gibt, die sich für drei AnarchistInnen einsetzen, die irgendwo in Deutschland im Knast einsitzen. Deshalb hier einige Worte zu Repression, Internationalismus, Solidarität und Angriff…
Die Repression
Die Verfolgung derjenigen, die sich der kapitalistischen Verwertungslogik und dem staatlichen Gewaltmonopol widersetzen, ist ein zentraler Teil der herrschenden Praxis. Das Eigentum ist unantastbar und das vor allem in Zeiten der Krise, so die Logik dahinter. In Zeiten in denen sich die Technisierung und parallel dazu auch die Kriminalistik immer weiter spezialisieren, erreicht auch die politische Verfolgung und die Methoden die dazu eingesetzt werden ein neues Niveau. Die Verwendung von DNA Profilen spielt in der Verfolgung der drei AnarchistInnen eine wichtige Rolle. Allen dreien wurden, zum Teil unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, DNA-Samples abgenommen. Beispielsweise in fingierten Verkehrskontrollen mit Hilfe von Alkoholtests, oder von einer zurückgelassenen leeren Getränkeflasche einer Gefährtin. Die internationale Zusammenarbeit zwischen spanischen, deutschen und niederländischen Bullen zeigt auch die Vernetzung der repressiven Organe im europäischen Raum. Die Repression hat die nationalen Grenzen längst hinter sich gelassen.
Der Internationalismus
So wie die Repression und die Überwachung sich immer mehr über die nationalen Grenzen hinaus verflechten, so betrachten auch die Anarchisten immer schon den Internationalismus und damit die Achtung und Verbundenheit zu den GefährtInnen die anderswo kämpfen, als wichtigen Bezugspunkt für die eigenen Kämpfe. Doch warum in der Nacht hinausgehen, um beispielsweise solidarische Parolen an Wände zu sprühen? Was geht es mich an, wenn andere Anarchisten oder soziale Rebellen von der Repression getroffen werden? Die Antwort ist relativ einfach: Weil ich mich in ihren Taten und in ihrem Sein, in ihren Kämpfen wieder erkenne. Weil ich dieselbe Sehnsucht nach einer anderen Welt, nach einer anderen Existenz teile wie sie. Und wenn die Reaktion einen von uns angreift, dann greift sie uns alle an. Egal wo auf der Welt wir uns befinden.
Die Solidarität
Darum bin ich mit den GefährtInnen solidarisch. Weil ich für die Verfolgung der MitstreiterInnen anderswo eben soviel Hass empfinde wie für die Repression mit der ich selbst in meinem eigenen Kampf konfrontiert bin. Und aus diesem Grunde verbreite ich die Informationen, widersetze mich im Namen der Verfolgten der Herrschaft und kämpfe gegen die Repression an. Deshalb beziehe ich Stellung und verteidige sie in der Öffentlichkeit. Der Kapitalismus versucht uns zur Konkurrenz zu erziehen, denn willige Produzenten sollen sich im Wettbewerb gegenüberstehen. Der russische Anarchist Peter Kropotkin hat vor über 100 Jahren als Antwort auf den Sozialdarwinismus ein Buch über Solidarität und gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt geschrieben. Er war der Meinung, dass es nicht nur ein Prinzip der Konkurrenz und den ‚Kampf ums Dasein‘ gibt, sondern auch ein Prinzip der gegenseitigen Hilfe und der Solidarität, der Kooperation. Kropotkins Erkenntnis widerspricht damit den kapitalistischen Verhältnissen, wo jeder sich selbst der nächste ist. Und so ist es wohl auch eine ethische Frage ob ich andere verteidige, die vom Staat angegriffen werden, weil sie ihre Freiheit riskiert haben, um sich der herrschenden Ordnung zu widersetzen und eines der vielen Experimente zu wagen die das Leben für uns bereithält.
Der Angriff
Die direkte Aktion, die viele Aspekte beinhalten kann, von der Verbreitung der Information bis zur gewalttätigen Aktion, ist die logische Konsequenz daraus. Die Untrennbarkeit von Theorien und Praxis ist die Essenz unseres Anarchismus. Auch wenn viele der Angriffe lediglich symbolisch sind, sie sind immer auch Teil eines größeren Projektes. Sie sind Teil der Welt der Subversion. Wenn es uns in den Fingern juckt und uns nicht mehr loslässt. Das Gefühl etwas tun zu müssen gegen die Scheiße die uns umgibt. Ob mit Stift und Papier oder Feuer und Steinen.
Freiheit für die Gefangenen!