Zeit der Einheit

32Ich bitte auch meine Wähler anzuerkennen, dass der Wähler immer recht hat, dass der Souverän immer recht hat.“ Dieses Zitat von Norbert Gerhard Hofer, das er live im ORF, direkt nach der Verkündung des Wahlsieges von Van der Bellen, zum besten gab, muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Genauso wie das was Onkel VDB, rhetorisch unbeholfen wie je, nachschickte, nämlich, dass er, wenn er am Ende seiner Amtszeit angetroffen wird, die Leute nicht sagen hören will, „schau mal da ist der Präsident“, sondern, „schau mal da ist UNSER Präsident“.

Darum geht es der Politik im Moment, den Souverän, das Volk, zusammenzuhalten. GEMEINSAM, UNSER, WIR sind dabei die Ein-Wort-Parolen, die den Graben, der sich laut Medien, Experten und Politikern durch die österreichische Gesellschaft zieht, überbrücken sollen. Der Kitt, der diese Zusammenhalt stiften soll, ist der Nationalismus – schon während des elfmonatigen Wahlkampfes war es nicht mehr möglich anhand der Sujets der Wahlplakate zu unterscheiden, wer hier das liberale Schwein und wer hier die Faschistensau ist. Ob für die VDB-Kampagne aus Berechnung oder Überzeugung alles in Rot-Weiß-Rot gefärbt wurde, ist dabei zweitrangig.

Denn, in einer Zeit in der die einstigen Versprechungen des Sozialstaates immer weiter verblassen und mit ihnen zunehmend der Traum vom Eigenheim für alle, die ihr Leben lang brav die Goschn halten und hackln und in der nichts sicher scheint, außer, dass die Jungen wahrscheinlich nie an den Lebensstandard der Alten herankommen werden und von diesen einen zunehmend zerstörten Planeten erben, besteht die Gefahr, dass die soziale Frage wieder auf den Tisch kommt. Dass klar wird, dass sehr wohl ein Graben durch die österreichische Gesellschaft verläuft, wie ein Graben durch jede Gesellschaft verläuft, die auf Ausbeutung und Herrschaft basiert. Haben Regierende und Regierte, Besitzer und Mieter, Chefs und Arbeiter, Ausbeuter und Ausgebeutete die gleichen Interessen? Muss der Graben zwischen ihnen überbrückt werden? Ich denke nicht! Und auch wenn es sehr reale Auswirkungen hat wer regiert, ist es für das Herrschaftssystem zweitrangig ob der Präsident Hofer oder Van der Bellen heißt, solange es überhaupt einen Präsidenten gibt. Solange die Leute überhaupt ihre Stimme abgeben und damit den Fortbestand des Staates sichern. Etwas, an dem mir, als Anarchist, der den Staat als Fundament der Herrschaft des Menschen über den Menschen ansieht, ganz und gar nicht gelegen ist.

Aus diesem Grund ist für mich das allgemeine Auseinanderdriften Europas, das wachsende Misstrauen gegenüber der politischen Klasse und ihren Mitteln der Konsensfindung (Stichwort Lügenpresse, …) kein Grund zur Panik, sondern etwas zu begrüßendes, etwas das wir weiter befeuern müssen. Auch wenn wir vor der großen Schwierigkeit und Gefahr stehen, dass es bis jetzt vor allem rechte aber auch linke Rattenfänger sind, denen es gelingt Profit zu schlagen, in der Hoffnung selbst die Macht zu übernehmen. Womit sich vielleicht die Verwaltungsform des Staates ändern würde, der Staat aber Bestand hätte – ausgestattet mit einer neuen Elite und einer neuen Legitimation. Was uns zu der wirklich schwierigen aber umso wichtigeren Frage führt, ob und wie wir diesen Dynamiken einen befreienden Drall geben können? Und wie wir die Ideen von Selbstorganisierung und Autonomie verteidigen und verbreiten können, allen autoritären Bestrebungen zum Trotz.

Freiheit wird auf der Straße erkämpft und nicht in der Wahlkabine.