Am 5. Februar, direkt nachdem das Wahlvieh wiedereinmal zur Urne kroch um bei den Grazer Gemeinderatswahlen die konservativen Steigbügelhalter der Industrie und Kapitalisten von der ÖVP und ihren langjährigen Bürgermeister Siegfried Nagl im Amt zu bestätigen, begannen die Bauarbeiten für die neue Staustufe, die in Graz-Puntigam errichtet werden soll. Nicht verwunderlich, dass dies genau an diesem Tag geschah, denn die Zerstörung, die dieses neue Projekt der Profitmacherei und Ausbeutung von Mensch und Natur bedeutet, wurden durch den in Windeseile umgesetzten Kahlschlag des Murufers so offensichtlich, dass sie wohl selbst so manchen erzkonservativen Bürger dazu bewegen hätte können, seine Wahlentscheidung zu überdenken. Die Taktiererei der Politik, die seit je her eine ihrer Grundprinzipien ist, scheint offensichtlich – doch die braven Schafe, die jetzt über Gemeinheit der Autoritäten jammern und wehklagen und sich beim nächsten Mal wieder zur Urne schleppen, um die Verantwortung über ihr Leben bereitwillig in die Hände Anderer zu legen, über die sie dann wieder jammern und klagen können, sind wohl an Würdelosigkeit nicht zu überbieten.
Das Projekt und seine Profiteure
Beim Murkraftwerk Graz-Puntigam, das laut Angaben der Energie Steiermark AG (ESTAG), die das Projekt leitet, 2019 in Betrieb genommen werden soll, handelt es sich um ein Laufwasserkraftwerk. Es soll eine Staustufe errichtet werden, die die Mur auf eine Höhe von 9,7 m aufstauen soll, dazu ist es an den Ufern der Mur erforderlich auf einer Länge von 3,6 km Wälle zu errichten, denen die Flora und Fauna, die sich dort befindet, weichen soll. Eine Sache die bei der bekanntermaßen schlechten Luftqualität in Graz zu Recht kritisiert wurde. Durch die verringerte Fließgeschwindigkeit – denn die Staustufe verwandelt die Mur in ein beinahe stehendes Gewässer – wird die Wasserqualität der Mur sich mit absehbaren Folgen für die sie bewohnenden Organismen dramatisch verschlechtern. Auch die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks ist fraglich: laut Gutachten wird das Projekt den Betreibern in den nächsten 50 Jahren ausschließlich Verluste einbringen. Doch diese Kritik führe ich hier nur an um zu zeigen, dass dieses Projekt schließlich nicht dafür durchgeführt werden soll um für die Betreiber möglichst viel Profit abzuwerfen. Denn es rechnet sich nicht… Vielmehr stellt es ein Projekt zur Ankurbelung der lokalen und internationalen kapitalistischen Ausbeutungsmaschinerie dar, ein Fest der widerlichen Profiteure der Auspressung von Mensch und Natur. Es gilt zu beleuchten, wer die Aufträge bekommt, wer bei diesem Projekt fett absahnen will.
Politik und ESTAG, die sich zu 75% in Landesbesitz befindet, rühmen sich damit durch diesen Bau lokale Industrie und Bauwirtschaft zu stärken. Und so präsentiert die ESTAG auch auf ihrer Internetseite alle möglichen Interessensvertreter des Kapitals, die sich positiv auf ihr Projekt beziehen. Allen voran natürlich das Dreckspack von Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer, sowie natürlich auch die Gewerkschaftsbonzen des ÖGB, die sich schließlich über jeden neuen lokalen Ausbeutungsplatz freuen. Doch welche Ausbeuter der „lokalen“ Industrie sind es, die gefördert werden sollen? Natürlich das übliche Pack von Großkapitalisten, die von derartigen Projekten profitieren…
Die allseits bekannte Verbund AG, der Größte Stromerzeuger Österreichs, stieg ursprünglich wegen der nicht gegebenen Wirtschaftlichkeit aus dem Projekt aus. Doch sie hat wohl doch noch eine Aussicht auf Profit gewittert und beteiligt sich nach neuesten Informationen nun schlussendlich doch zu 12,5% (und behält es sich vor, ihren Anteil zu erhöhen) und soll künftig den Betrieb des Kraftwerks übernehmen. Die Verbund AG betreibt bereits 40 Wasserkraftwerke in der Steiermark und darüber hinaus viele weitere im In- und Ausland.
Der Auftrag zur Fertigung und Montage der Turbinen und des Maschinenbaus wurde an den Industriekonzern Andritz AG vergeben. Auch dieser Konzern ist kein unbekannter, so ist er auch an dem widerwärtigen Megastaudammprojekt Belo Monte in Brasilien beteiligt. Einem Projekt, das an Verachtung und Zerstörung von Mensch und Natur wohl schwer zu überbieten ist. Rund 40.000 Menschen sollen zwangsumgesiedelt werden, fruchtbares Land und Regenwald überschwemmt werden um Energie zu erzeugen, die größtenteils in die Montanindustrie – also in weitere Ausbeutung und Umweltzerstörung – fließen soll. Gegen dieses Projekt, das jede Würde mit Füßen tritt, wird seit Jahrzehnten erbittert Widerstand geleistet.
Der Siemens Konzern übernimmt die Aufgabe, die Transformatoren für das Murkraftwerk herzustellen. Auch hier handelt es sich wieder um einen Konzern, der seine Finger seit jeher in allen möglichen schmutzigen Geschäften hat – neben der Lieferung von Technologie für Überwachung, Militär und Atomindustrie ist er ebenfalls an besagtem Projekt in Brasilien beteiligt. Es reicht hier der Platz bei weitem nicht aus, um alle Widerwärtigkeiten aufzuzählen, in denen die besagten Konzerne verstrickt sind – mit diesen ließen sich ganze Bücher füllen. Es geht mir darum die Zusammenhänge und Verstrickungen der Unternehmen herauszuarbeiten und so aufzuzeigen, dass das Murkraftwerk nur ein Projekt von vielen ist, dass die Akteure jedoch oft die gleichen sind und dass es die todbringende kapitalistische Wirtschaftsordnung ist, die alles zu Mahlgut für ihre Mühlen degradiert, die sie hervorbringt.
Die Zeit des Bettelns muss enden
Am Projekt des Murkraftwerks zeigt sich wiedereinmal klar die Sackgasse des zivilgesellschaftlichen Protests. Seit Jahren existieren unterschiedliche Bürgerinitiativen in Graz, die sich gegen den Bau des Kraftwerks richten. Ihre Vorgehensweise ist dabei die gleiche, die Gruppen dieser Art immer anwenden: Skandalisieren, Petitionieren, Aufklären, friedlichen, demokratischen Protest organisieren… Sie appellieren an Staat und Politik und würden so gerne gehört werden, werben für Parteien, die gegen das Projekt sind, etc. Kurz: Es mangelt ihnen an grundlegender Analyse von der Welt, in der sie leben. Sie betrachten den Staat als ein Mittel, das benutzt werden kann, um gegen kapitalistische Ausbeutung vorzugehen und verleugnen damit die vorrangige Rolle des demokratischen Staates in diesem System: der Staat, seine Gesetze, seine Agenten in Politik, Militär und Polizei sind dazu da die Eigentumsordnung, die Grundlage des kapitalistischen Systems zu stützen und mit Gewalt zu verteidigen. Nun, es ist entweder dieser Mangel an Analyse oder die Tatsache, dass wenn ein bestimmtes Projekt des Kapitals nicht realisiert wird, sie mit ihrem Leben von Ausbeutung und Unterdrückung eigentlich ganz zufrieden sind. Für mich ist klar abzulehnen, mit der Politik und den Kapitalisten in Dialog zu treten. Diese müssen als das betrachtet und behandelt werden was sie sind: Feinde der Freiheit und Selbstbestimmung. Es gilt mit dem faulen Frieden zu brechen, der sich in diesem Land erbittert aufrechterhält und hierbei auch die Rolle der zivilgesellschaftlichen Organisationen von einem revolutionären Standpunkt aus zu kritisieren. Ihre Rolle ist es oft, den Widerstand in geordnete Bahnen zu lenken, den geistigen Horizont der Wütenden auf Vertrauen in die demokratischen Prozesse zu beschränken und sie damit in die Passivität zu treiben, in einem Moment wo Initiative gefragt ist. Die selbstorganisierte Initiative, die mit dem von der Demokratie vorgegebenen Regelwerk bricht, die sich ihrer eigenen Stärke und Unberechenbarkeit bewusst ist.
Doch glücklicherweise regt sich in Graz auch auf andere Art und Weise Widerstand gegen den Kraftwerksbau. Und zwar jenseits des zuvor kritisierten Appellierens an die Autoritäten, sondern basierend auf Selbstorganisation und direkter Aktion. Es wurden Protestcamps eingerichtet um die Bauarbeiten zu behindern und es kommt vermehrt zu Blockaden der Bauarbeiten, meist durch Besetzen der Maschinen und Bagger. Es bietet sich jedoch ein breites Feld an Möglichkeiten um zum Angriff über zu gehen. Die Profiteure, ihre Steigbügelhalter in der Politik und ihre Schergen sind leicht zu identifizieren und gerade die großen Firmen sind auf dem ganzen Terrain verteilt und bieten viele Angriffsflächen und Gelegenheiten, den Normalvollzug zu sabotieren. Man denke nur an die weitverzweigten Adern der Energieübertragung, die Konzernsitze, die Maschinerie der Bauunternehmen…