Das Ende der Klassengesellschaft?

Der 1. Mai ist in Österreich allgemein als ‚Tag der Arbeit’ bekannt. Hier feiern sich Opfer und Profiteure der Ausbeutung einerseits und die Verteidiger der Nation andererseits. Dass die Ursprünge des 1. Mai mit dem plumpen Traditionalismus, wie er hier zelebriert wird, wenig zu tun haben, ist den meisten nicht bekannt. Wie so viele Geschehnisse aus der Vergangenheit ist auch der subversive Gehalt des 1. Mai als Kampftag gegen die Kapitalistenklasse und für die Befreiung von der Lohnsklaverei im Lauf der Geschichte begraben worden. Als Totengräber betätigen sich wie immer die selben Akteure aus Politik und Wirtschaft, die jedes Aufflammen von Aufbegehren gegen ihre Autorität, ersticken wollen. Und das in der Gegenwart, in der Zukunft und natürlich auch in der Vergangenheit. Aber dazu später mehr…

Am 1. Mai 1886 wurde in den USA unter den ArbeiterInnen der Generalstreik ausgerufen. Ziel war die Durchsetzung des 8-Stunden-Tages. Um die vernichtende Ausbeutung ein Stück weit zu reduzieren. Bereits in den Jahren zuvor konfrontierte sich die Arbeiterbewegung in den USA immer wieder mit der Polizei, Staat, Unternehmern und Streikbrechern. Diverse Aufstandsversuche und Revolten haben diese Jahre geprägt. Diese Interventionen fanden nicht zuletzt durch die rege Beteiligung der Anarchisten statt. Sie waren eine treibende Kraft innerhalb der Bewegung. Der Streik wurde von Seite der Unternehmer mit Hilfe von Bullen, Streikbrechern und Söldnern bekämpft. Am 3. Mai wurden auf einer Massenveranstaltung nahe der Landmaschinenfabrik McCormick 4 Arbeiter von den Bullen erschossen. Deshalb versammelten sich am Tag darauf Tausende auf dem Haymarket in Chicago zu einer Protestkundgebung. Als die Polizei anrückte um die Veranstaltung anzugreifen, wurde aus der Menge eine Bombe in die Reihen der Bullen geworfen. Die Polizei eröffnete das Feuer und da viele Anarchisten bewaffnet waren erwiderten diese zum Teil die Schüsse. Dieses Ereignis ging als Haymarket Riot in die Geschichte ein. Auch wenn es eher so war, dass die Bullen dort ein Massaker veranstaltet hatten. In der Folge verhaftete die Polizei hunderte von ArbeiterInnen. Einigen bekannten Anarchisten wurde schließlich der Prozess gemacht. 5 von ihnen wurden zum Tode verurteilt, obwohl nachgewiesen war, dass keiner von ihnen die Bombe geworfen hatte. In den darauf folgenden Jahren entwickelte sich der 1. Mai zu einem ernst zu nehmenden internationalen Kampftag. Im Jahr 1890 dauerten die Versammlungen, Demonstrationen und Auseinandersetzungen zum Teil bis zum 8. Mai an. Soweit in aller Kürze zu den Ursprüngen des 1. Mai.

All diese Vorkommnisse werden von der Sozialdemokratie, die in der Folgezeit den 1. Mai als sogenannten ‚Tag der Arbeit‘ entstellte, konsequent totgeschwiegen. Stattdessen gehen Politiker aller Richtungen anlässlich dieses Datums mit ihren eigenen Theorien hausieren. Die Nationalisten und Konservativen versuchen dabei die Klassenfrage in der nationalen Identität oder der ökonomischen Effizienz aufzulösen. Sie versuchen uns zu erklären, dass die Unternehmer und die Ausgebeuteten gemeinsam gegen den politischen Feind und die ‚Überfremdung Europas‘ kämpfen sollten, so die Vorstellungen eines Strache. Die ÖVP versucht ebenfalls die Klassengesellschaft zu negieren: „Allen, die heute das Retro-Modell der Klassenkämpfe wiederentdecken, sei gesagt: Das wird nicht klappen, wir sitzen alle in einem Boot und müssen an einem gemeinsamen Strang ziehen. Was wir gerade jetzt brauchen, ist Eigenverantwortung und Eigeninitiative, ein Fordern und Fördern des Unternehmergeistes. Davon profitieren Arbeitnehmer und Arbeitgeber.“ So wird von den politischen Parteien der Schulterschluss zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern vorangetrieben. Mit dem ursprünglichen Kampf der Arbeiterbewegung und der Anarchisten hat das alles natürlich nichts mehr gemeinsam. Dabei sollte klar sein, dass es keine gemeinsame Sache zwischen Arbeitern und Unternehmern geben kann, denn sie wird immer zum Nachteil der einen und dem Vorteil der anderen sein. Es sind zwei Seiten die sich im Kapitalismus diametral gegenüberstehen.

Doch was sagen uns diese Worte? Sie sprechen von derjenigen Sache vor der die Bosse und die Politiker, die deren Interessen in der Öffentlichkeit politisch verteidigen, Angst haben. Es ist das Bewusstsein über unsere Misere das sie vernichten wollen. Denn aus dem Bewusstsein wird auch irgendwann der Drang zu handeln entstehen. Und dann ballt sich ein bloßer Gedanke zur Faust. Deshalb versuchen sie uns einzubinden. Sie versuchen uns immer und immer wieder zu erklären, dass wir Teil des Staates, der Nation, der Wirtschaft, etc. sind. Was natürlich eine glatte Lüge ist, denn nichts in diesem Spiel gehört uns. Die Arbeit dient seit jeher zu nichts anderem als uns zu erpressen. Dass sich die Klassenverhältnisse geändert haben und dass sich vor allem die Struktur der Arbeiterklasse und die Methoden zur Ausbeutung der Arbeitskraft geändert haben will ich gar nicht abstreiten. Im Gegenteil: Diese neuen Verhältnisse sollen ein wichtiger Bezugspunkt für uns sein, wenn wir uns dieser Frage nähern.

Die Sozialdemokratie befindet sich im Niedergang. Das große Zugpferd der sozialen Bewegung ist alt und müde geworden, und wird von Konservativen und Nationalisten zur Schlachtbank

geführt werden. Eine Wende in der Art und Weise des Regierens, des Domestizierens und des Kontrollierens zeichnet sich seit einiger Zeit ab. Sie hat eine neue Phase von Ökonomie, Politik und Gesellschaft ‚in der Krise‘ eingeführt, wo alle Bereiche am besten nur mehr über ‚Notstand‘ und ‚Ausnahme‘ organisiert werden sollen. Diese Phase der kapitalistischen Restrukturierungen, die wir seit geraumer Zeit miterleben, hat eine ganze Reihe von Grundlagen völlig zerstört. Deshalb sind auch viele der alten Konzepte des Sozialstaates obsolet geworden. Ihr Rückzug ist lange Zeit schleichend gewesen hat aber mittlerweile eine recht rasante Fahrt aufgenommen. Und während viele Proleten in ihrer ‚Rette sich wer kann‘-Mentalität zum Klassenfeind übergelaufen sind, und sich hinter dem lodernden Ofen des Nationalismus verkriechen, ballert die politische Klasse aus vollen Rohren auf alles was noch übrig ist.

Durch die Einführung der Informatik hat sich nicht nur die Produktion verändert. Unser ganzes Leben, jeder Bereich hat sich daran angepasst. Die Art und Weise wie wir miteinander kommunizieren hängt immer mehr von den Mitteln ab, die uns das Kapital zur Verfügung stellt. Die sogenannten ’sozialen Medien‘ haben keinen anderen Zweck als die soziale Kontrolle zu modernisieren. Die Kybernetik, die als Regelungs- und Steuertechnik im Bereich der Forschung und Industrie angefangen hat, ist mittlerweile dabei sich immer weiter in sozialen Kontexten zu verbreiten und all ihre technischen Erzeugnisse miteinander zu verbinden. Sie beginnt eine neue Herrschaftsmethode zu erschaffen. Damit ist auch eine neue Mentalität im Vormarsch, die sich ebenso in der Organisation der Arbeit widerspiegelt. Die Zerstückelung der Klassenverhältnisse und die Verschleierung der Ausbeutung werden mit Hilfe der Individualisierung des Arbeitsprozesses und der Einbindung der Lohnabhängigen in einen billigen ‚Karrierismus‘ realisiert. Ich weiss, dass mir nichts gehört. Alles was ich mein Eigentum nenne ist nichts im Angesicht des Kapitals. Es gibt keine Karriere die ich noch machen kann, damit ich eines Tages finanzielle Unabhängigkeit habe. Mein ganzes Leben im Kapitalismus wird immer auch von der Frage des Überlebens bestimmt sein. Auf die Frage zurückzukommen: Sind wir am Ende der Klassengesellschaft angekommen? Nein! Sie stellt sich lediglich anders dar. Sie hat sich modernisiert. So wie sich viele andere Bereiche der Unterdrückung und Ausbeutung ebenfalls angepasst haben.

Die einzige Tradition die der 1. Mai hat, ist die der kämpfenden, subversiven Arbeiter und der Anarchisten! Alles andere ist politische Vereinnahmung und Lüge. Kein Friede mit der Klasse der Ausbeuter! In offener Feindschaft mit jeder Autorität!