Das sogenannte Amt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (kurz BVT auf Bundesebene und LVT auf Landesebene) ist die politische Polizei Österreichs. Es ging im Jahr 2002 aus der Zusammenlegung der sogenannte Staatspolizei und diversen Sondereinheiten hervor. Die gesetzlichen Grundlagen auf deren Basis BVT und LVT agieren sind das Polizeiliche Staatsschutzgesetz (PStSG) und das Sicherheitspolizeigesetz (SPG). Beide Gesetze wurden in den letzten Jahren dahingehend reformiert, dem BVT und LVT immer umfangreichere Ermittlungsmethoden und Handlungsautonomie einzuräumen. Ein Teil dieser spitzelnden Tätigkeiten und wirren Analysen wird alljährlich im Verfassungsschutzbericht veröffentlicht.
Verfassungsschutz und Repression
Der österreichische Verfassungsschutz war an allen größeren und kleineren Repressionsfällen gegen autonome, anarchistische und linksradikale Gruppen in den letzten Jahren beteiligt. Dabei erstrecken sich die Ermittlungsmethoden über die Überwachung von Demonstrationen und Kundgebungen, Sammeln von personenbezogenen Daten, Telefon- und Internetüberwachung, Einschleusen von Verdeckten ErmittlerInnen (VE) und sogenannten Vertrauenspersonen (VP), Überwachung von Wohnungen, Häusern und Fahrzeugen, und so weiter. Besonders hat sich diese Behörde im Jahr 2008 und in den Folgejahren, durch die Zusammenarbeit mit diversen österreichischen Unternehmern (u.a. Kleider Bauer) hervorgetan. Damals gab es in Österreich eine recht aktive Tierbefreiungsbewegung. Seit den 1990ern gab es kontinuierliche Aktionen und Angriffe gegen Zirkusse und diverse Unternehmen der Bekleidungsindustrie, Jagdsabotage, etc. Ein Teil dieser Aktionen wurde unter dem Label ‚ALF‘ (Animal Liberation Front) ausgeführt. 2008 kam es zu einer Welle von Verhaftungen und 10 Personen aus der Tierbefreiungs/Tierrechtsbewegung wurde in den Folgejahren, unter dem Vorwurf des § 278a (‚Kriminelle Organisation‘) und diverser anderer Delikte der Prozess gemacht. In den Jahren 2010, 2014 und 2015 wurde weitere Male mit Hilfe des § 278 ermittelt und dadurch dessen Reformierung forciert.
Der Verfassungsschutzbericht
Dieser Bericht wird einmal im Jahr vom BVT herausgegeben. Er erscheint immer für das vorhergehende Jahr, 2017 wurde der Bericht für das Jahr 2016 veröffentlicht. Grundsätzlich ist es eine recht oberflächliche politische Analyse, die vom Extremismusdiskurs geprägt ist. Inhaltliche Zielsetzung ist nichts anderes, als die Zementierung der kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse und des staatlichen Gewaltmonopols. Der Verfassungsschutzbericht 2016 enthält ein paar interessante Neuheiten. Neben dem üblichen ‚Linksextremismus‘, ‚Rechtsextremismus‘ und ‚Islamismus‘ Rubriken, wobei sich die Abhandlung zum sogenannten ‚Linksextremismus‘ wohl, bis auf einige Kleinigkeiten, seit Jahren nicht geändert hat, gibt es dieses Mal ein Kapitel über sogenannte ‚Kritische Infrastruktur‘.
Der Schutz Kritischer Infrastruktur
Als kritische Infrastruktur werden im Verfassungsschutzbericht ‚Betreiber aus den Sektoren Chemische Industrie, Energie, Finanzen, Forschungseinrichtungen, Gesundheit, Hilfs- und Einsatzkräfte, Informations- und Kommunikationstechnologie, Lebensmittel, Sozial- und Verteilungssysteme, Transport und Verkehr, Verfassungsmäßige Einrichtungen und Wasser.‘ bezeichnet. Alle diese Bereiche sollten laut BVT einer erhöhten Überwachung unterliegen. Im Beobachtungszeitraum des Berichts dürften sich wohl individuelle Aktionen gehäuft haben. In der Aufzählung finden sich diverse Angriffe auf 30kV Strommasten, Mobilfunksendemasten und Hackerangriffe. Über die Motivation gibt es in den meisten Fällen keine Informationen. Mit einigen Ausnahmen gehört ein großer Teil der hier angeführten Sektoren, zu den Schlüsselakteuren der kapitalistischen Ausbeutung. Staat und Kapital schützen sich in Zeiten von zunehmend offenerer und brutalerer Ausbeutung gegen Unruhen und Angriffe. Wobei ein weiteres Mal die Gefahr des Terrors, der über unterschiedliche Kanäle in der Gesellschaft verbreitet wird, als Legitimation benutzt wird.
Natürlich ist der islamistische Terror eine reale Gefahr, das soll hier keinesfalls verschwiegen werden. So haben wir in den letzten Jahren einen enormen Anstieg von religiöser Gewalt miterlebt. Der Krieg hat sich vervielfältigt. Und während die einen Bomben aus Flugzeugen werfen, sprengen sich die anderen in die Luft und reißen alle rund um sie in den Tod. Wir haben über diese Dinge auch in der ‚Revolte‘ einiges geschrieben und unsere Standpunkte klar gemacht. Wir sehen aber auch, dass in fast allen europäischen Staaten Gesetze auf den Weg gebracht, sowie polizeiliche und militärische Vorkehrungen getroffen werden, um sich auf alle möglichen Abweichungen einzustellen. Sie versuchen jegliche Art von Kontrollverlust über die täglichen Formen der Ausbeutung und Disziplinierung abzuschaffen.
Eine Möglichkeit
Den Kontrollverlust sehen wir allerdings als eine Möglichkeit. Sie kann eine antiautoritäre Methode, für uns als Ausgebeutete, sein, um mit der Welt der Autorität zu brechen. Wir sind ständig beschäftigt, paralysiert und überwacht. Denn wir sollen uns fortlaufend für den Prozess der Verwertung optimieren, was eine gewisse Disziplin voraussetzt. Und diese wird erreicht durch Angst. Angst etwas zu verpassen oder zu verlieren, oder vor den 1000 Gefahren die uns jeden Tag in den Medien präsentiert werden. Deshalb gibt es jetzt auch ein Projekt des Innenministeriums: ‚Katwarn‘, eine eigene App für Krisen- und Katastrophensituationen. Sie gibt Verhaltenshinweise direkt von der Behörde kommend an die User weiter. Inklusive Warnungen vor Demonstrationen und ähnlichen größeren Menschenansammlungen. Damit wir ja zu keinem Zeitpunkt am falschen Ort sind.
Da wir in einer Welt leben die ganz massiv vom einwandfreien Ablauf all ihrer technologischen Krücken abhängig ist, stellt ein Ausfall immer eine Gefahr für einen kontrollierten Ablauf dar. Wir haben uns an die diversen Geräten gewöhnt, die wir tag ein tag aus benutzen und von denen wir uns immer abhängiger machen. Wir dürfen uns an dieser Stelle auch keine Illusionen machen: Alle diese Geräte sind in einem Herrschaftskontext entstanden. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass wir in diesem Zusammenhang auch autoritäre Argumente übernehmen, anstatt uns selbst Gedanken über die Probleme unserer Zeit zu machen und mit anderen, Auge in Auge, direkt in eine Diskussion zu gehen. Denn anstatt reale, direkte Beziehungen aufzubauen, verkriechen wir uns immer mehr in die Virtualität und können uns ein Leben ohne diese auch immer schwieriger vorstellen. Und so verbleiben wir in ständiger Ablenkung vom wirklichen Leben.
Die Wichtigkeit des Schutzes von sogenannter ‚Kritischer Infrastruktur‘, vor allem im Bereich von Energie und (Tele)kommunikation hat in erster Linie mit der Aufrechterhaltung des technologischen Fortschritts und dem Schutz der europäischen Wirtschaft und deren Profiten zu tun. Außerdem ist es immer im Sinne des Staates, die Gefahr von subversiven und zerstörerischen Massenaktionen zu vermeiden. Und dabei ist Ablenkung immer ein Mittel der sozialen Kontrolle. Um die Massen der Ausgebeuteten an ihre Rolle als Befehlsempfänger und Konsumenten zu binden. Und das ist die Angst die die Herrschenden haben, dass wir uns unserer Ausbeutung bewusst werden, weil die Ablenkung auf einmal nicht mehr vorhanden ist. Der Ausfall eines Teils der Infrastruktur sollte eigentlich kein Dilemma für die Ausgebeuteten, sondern für die Ausbeuter und die Herrschenden sein. Wir müssen uns darüber klar werden, dass das Funktionieren und die Kontrolle über die Wirtschaft und Technologie nicht unsere Sache ist. Lernen wir ohne Krücken zu leben, damit wir jeden Tag die Rebellion neu erfinden können!