Die Proteste gegen den Wiener Akademikerball
Die Proteste gegen den Wiener Akademikerball Ende Jänner haben kein Bild der Verwüstung hinterlassen. Keine eingeworfenen Scheiben im ersten Bezirk, keine flächendeckenden Attacken auf Burschenschafter oder Polizei. Keine Molotov-Cocktails als Wurfgeschosse. Die seit Wochen und Monaten (eigentlich seit Jahren) jährlich wieder von den Medien heraufbeschworenen „Zustände wie in Nordkorea“ sind nicht eingetreten. Die Bullen sind zufrieden.
Mit einem Großaufgebot von 2800 Kiberern, 30 Kamerateams, Tretgittern, Wasserwerfer & Co. wurde gegen die DemonstrantInnen mobil gemacht und diese Machtdemonstration des österreichischen Staates hat seine erwünschte Wirkung auch nicht verfehlt würde ich sagen. Einschüchterung und „Deeskalation“. Ganz nebenbei fand eine (für Österreich) ganz neue Polizeistrategie Anwendung, welche man eher aus den Nachbarländern wie z.B. aus Deutschland kennt; Alles und Jeder wird (permanent) gefilmt und bei Verstößen gegen irgendein Gesetz werden die Leute eingekesselt und die „Übeltäter“ einzeln herausgezogen. Bei der großen Demo, an der sich ca. 8000 Leute beteiligten, wurde gar ein künstliches Nadelöhr mit einer Breite von nur drei Metern aus Tretgittern aufgebaut, durch das die DemonstrantInnen gezwungen wurden zu gehen. Dabei wurden allesamt von links und von rechts von den Bullen gefilmt und genau begutachtet. Somit haben die Bullen Fotos und Videos von JEDER Person, die auf der Demo war, inklusive Kleidung und Bewegungsmuster.
Österreich rüstet auf.
Und zwar sowohl an den Grenzen, als auch im Inneren. Der Polizeiapparat wird immer massiver und seit Jahren versucht die Polizei jährlich, ein immer größeres Budget zu bekommen und jammert, dass mehr Personal, neues Gerät und neue Technologien benötigt werden, um der zunehmenden Bedrohung durch Extremisten und Terroristen Herr zu werden. Das Bedrohungsszenario, das hier nicht zuletzt mit enormer Hilfe durch die Medien produziert wird, hat mit der Wirklichkeit allerdings recht wenig zu tun. Dennoch, so scheint es, sind die meisten BürgerInnen in diesem Land derart unkritisch und unselbstständig, dass die Panikmache und Hetze bestens funktioniert. Denn nach einer Meinungsumfrage im Auftrag der Polizeigewerkschaft wünschen sich 73 % der Bevölkerung eine stärkere Polizei, sowie bessere Ausrüstung derselbigen und gar 47 % der Befragten würden dafür auch hinnehmen, dass die Steuern erhöht würden, um dies zu finanzieren. All diesen Leuten sei Folgendes nahegelegt: Ihr Idioten! Die Bedrohung ist genau jene Poli zei und der repressive Staatsapparat und nicht die heraufbeschworenen Terrordrohungen. Die Angst in den Herzen derer, die sich einen starken Staat wünschen, hat die Menschheit bereits in der Vergangenheit mehrmals an den Rand der Vernichtung geführt, dabei ist es ganz gleich ob es sich um den Nationalsozialismus, den Kalten Krieg, irgendwelche Atomwaffenprogramme oder gar den Islamischen Staat handelt. Ihr, die ihr den Staat auch noch dabei unterstützt und dazu auffordert, beteiligt euch aktiv an der Aufrechterhaltung der gesamten kapitalistischen Misere, mit all der Ausbeutung, Unterdrückung, den Gefängnissen, Fabriken und Kriegen, kurz: ihr beteiligt euch an der Aufrechterhaltung des ganzen Elends. Ich spuck euch ins Gesicht!
Angesichts immer massiverer Großaufgebote der Bullen wird mehr und mehr offensichtlich, dass man sich in einer Konfrontation mit dem Staat nicht auf einen symmetrischen Konflikt einlassen darf, dass man angesichts gut organisierter Events wie dem Akademikerball kaum eine Chance gegen die Polizei hat, wenn man nicht der Logik des Krieges entflieht. Einer Logik, die einzig und allein auf Zahlen (z.B. 2800 Bullen gegen 8000 DemonstrantInnen) und technischer Ausrüstung (Wasserwerfer gegen Steine, Schlagstöcke gegen Fahnenstangen, …) basiert und es darum geht, wer militärisch betrachtet besser aufgestellt ist, die meisten „Soldaten“ ins Feld führt und wer das bessere Gerät besitzt. Wir müssen mit dieser Logik brechen, einerseits weil wir aufgrund unserer begrenzten Mittel in dieser Art der Konfliktführung nur verlieren können und andererseits, weil es keinen Sinn hat, der Logik des Staates und seiner Herrschaft mit den selben Mitteln zu begegnen, da Autorität und Zwang dieser Logik bereits inhärent sind. Um nicht falsch verstanden zu werden, es kann sehr wohl Momente geben, in denen man den Bullen (zumindest kurzzeitig) zahlenmäßig überlegen ist und effektivere Mittel besitzt. Jedoch ist für eine anti-autoritäre, freiheitliche Bewegung eine asymetrische Konfliktführung dafür wesentlich besser geeignet, aber dieses Thema kann hier nur kurz angerissen werden (siehe dazu auch Revolte Nr. 1 vom Jänner 2016: „Unser kleinster gemeinsamer Nenner“).
Die Proteste als Massen-Spektakel
Die Proteste gegen den Ball haben zumindest seit einigen Jahren den Charakter des Spektakels angenommen, bei dem die Massen unterhalten und beschäftigt werden. Die Herrschaft braucht das Spektakel wie die Luft zum Atmen, damit (wie in diesem Fall) die DemonstrantInnen gezielt ihre Wut über diese Verhältnisse ablassen können. Und zwar in einem kontrollierten Rahmen, der nicht zur Gefahr für die bestehende Ordnung wird, denn dafür sorgt die Polizei und der gesamte Repressionsapparat. Solche Spektakel haben also die Funktion eines Überdruck-Ventils für soziale Konflikte. Dabei ist es ganz gleich, ob es sich um das Fußball-Match am Wochenende, den Party-Exzess mit allerlei Berauschendem oder auch ein jährliches Großereignis zum Protestieren handelt, die Funktion die dadurch erfüllt wird, ist stets die gleiche: Dampf ablassen. Ebenso existentiell wie für die Herrschaft scheinen solche Events allerdings für manche linke Gruppen zu sein, die dann immer wieder versuchen, sich an die Spitze der großen Demos zu stellen mit ihren Fahnen, sich fotografieren zu lassen, damit es so aussieht als liefen alle Teilnehmenden ihren Transparenten hinterher, usw. usf. Kurz: um ihren Massen-Fetisch zu befriedigen und um ihre Existenz zu rechtfertigen, denn: ein (wenn auch nur vermeintliches) beständiges Anwachsen ihrer Organisationen oder Anhängerschaft erweckt den Anschein, etwas erreicht zu haben und legitimiert so deren Existenz. Manche Gruppen und Bündnisse, die sich gar nur für die Proteste gegen diesen Ball zusammengefunden haben, verdeutlichen dies nahezu perfekt, denn nur durch die (friedlichen) Proteste gegen den Ball wird per definition ihre eigene Existenz gerechtfertigt.
Die gesellschaftlichen Konflikte werden sich in Zukunft immer weiter zuspitzen, Beispiele an den Außen- und Schengengrenzen der EU, Terroranschläge und Kriege finden sich hierzu genug. Diese Konflikte mit Staat, Militär und Polizei nehmen dabei immer weiter an Intensität zu, auch für Menschen, die bisher noch keine oder nur wenig Probleme mit der Kiberei und den Schreibtischtätern in den Behörden hatten. Die interessante Frage für die nächste Zeit wird dabei sein, wie diese Konflikte verschärft werden können und die Ideen der Freiheit weite Verbreitung finden können, sodass ein (zumindest temporärer) Bruch mit der Normalität des Alltags entstehen kann – und wie dieser Bruch derart ausgeweitet werden kann, damit kein Zurückkommen zur Normalität mehr möglich ist…