Es ist höchst erstaunlich, wie in dieser Gesellschaft Feindbilder produziert werden. Ob das nun „Flüchtlinge“, „Sozialschmarotzer“, „Sandler“ oder was auch immer sind – sie alle haben etwas gemeinsam: das Andere. Diese Gesellschaft funktioniert im Wesentlichen so, dass ein allgemeines „Wir“ produziert wird, das exklusiv sein muss, um bestehen zu können. Mit anderen Worten: Es gibt „Uns“ und die „Anderen“ und diese Anderen müssen sich natürlich von Uns abheben. Abgesehen davon, dass diese Unterscheidung in den meisten Fällen gar nicht so leicht vorzunehmen ist, wie es immer dargestellt wird, ist es natürlich auch ein riesengroßer Blödsinn. Denn dieses „Wir“, das oftmals als österreichische oder allgemeiner als kulturelle Identität bezeichnet wird, gibt es nicht. Österreich und speziell Wien war historisch betrachtet immer ein Schmelztiegel von Leuten unterschiedlichster Nationalitäten und „Kulturen“, was sicher auch daran liegt, dass Wien die Hauptstadt der sog. Donaumonarchie war. Sprachlich, kulturell und gastronomisch ist es einfach ein Misch-Masch aus unterschiedlichsten Regionen Europas. Eine österreichische Identität kann es nicht geben und wenn dann nur, um über andere Konflikte hinwegzutäuschen.
Denn die großen Unterschiede in dieser Gesellschaft sind nach wie vor weniger ethnische Zugehörigkeiten oder Ähnliches, als viel mehr die unterschiedliche Stellung der Einzelnen in der Klassengesellschaft. Die Sandlerin, die keinen festen Wohnsitz und kaum Kohle hat, hat nichts mit dem wohlhabenden Ösi gemeinsam, der im Sommer 3 Monate auf Segelturn fährt – außer dem selben Pass. Wohingegen sie vermutlich mehr geteilte Lebensrealität mit Geflüchteten aus Syrien aufweisen kann, die sich aufgrund fehlender Arbeitserlaubnis und Perspektiven ebenfalls irgendwie durchschlagen müssen und mit Repression konfrontiert sind.
Was hat ein Mensch, der 40 Stunden die Woche arbeiten gehen muss, um sich sein Leben zu finanzieren, mit dem Chef einer österreichischen Firma gemeinsam, der seine ArbeiterInnen ausbeutet und damit fette Profite einstreicht? All diese „Identitäten“ von wegen Wir und die Anderen werden bewusst durch Medien und Politik konstruiert, um die Klassengegensätze unsichtbar(er) zu machen und die Leute auf den Holzweg zu führen. Denn mit solchen Feindbildern ist es ein Leichtes, weiter dem gewohnten Leben (der Ausbeutung) nachzugehen und immer irgendwen anderes für die eigene Misere verantwortlich zu machen (Flüchtlinge, Arbeitslose, MigrantInnen, …) anstatt die Wut gegen jene zu richten, die von unserer Misere profitieren und diese sogar bewusst schüren. Getreu dem alten Prinzip wird nach unten getreten und nach oben gebuckelt – Goschn haltn und parieren vorm Chef, der Polizei, den Gerichten, …!
Die Klassengesellschaft hat ihr Antlitz verändert, das ist richtig. Und oftmals sind die Gegensätze nicht mehr so leicht auszumachen, als noch vor einigen Jahrzenten. Dazu empfehle ich die (etwas) längere Analyse dazu mit dem Titel „Das Ende der Klassengesellschaft?“ in der Mai-2017-Ausgabe der REVOLTE (zu finden auf unserem Blog!).
Allerdings gibt es natürlich trotzdem die Akteure, die verantwortlich sind für das was geschieht und die daher auch angreifbar sind. Dein Chef hat durchaus gegensätzliche Interessen als du sie hast – es kann nur zum Konflikt zwischen euch kommen. Der Bulle schützt nicht meine Ordnung und meine Sicherheit, sondern die Ordnung und die Sicherheit der Herrschenden und die kapitalistische Ausbeutung – das ist nicht in meinem Interesse! Diejenigen, die die Umwelt aufgrund ihrer Profitgier mit immer absurderen Bauprojekten und Verschmutzungen ruinieren, ruinieren damit auch deine Lebensgrundlage – das kann wohl nicht in deinem Interesse sein! Tragen wir unsere Wut lieber nach oben anstatt nach unten und heizen den ganzen „Autoritäten“ ordentlich ein!