Mit dem Thema Sicherheit lässt sich gut Wahlkampf machen. Das bestätigen die vergangenen Wahlen nur zu gut. Denn Österreich hat vor allem diejenigen gewählt, die in den letzten Jahren auf Angst gesetzt haben. Sie haben Unsicherheiten geschürt und Hirngespinste verbreitet. Und dafür viele Wählerstimmen eingesackt.
Die Rechte ist seit Jahren in ganz Europa auf dem Vormarsch. Die Forcierung des Sicherheitsdiskurses hat ihnen ein gemachtes Nest hinterlassen. Dass die FPÖ sich nun als ‚Sicherheitspartei‘ tituliert und in den Koalitionsverhandlungen sofort Anspruch auf das Innenministerium erhebt, lässt nichts Gutes erwarten. Dabei haben ganz andere der Rechten den Weg geebnet. Wer hat in den letzten Jahren die vielen Gesetzesänderungen und -verschärfungen auf den Weg gebracht? Es waren Konservative und SozialdemokratInnen. Sie tragen für die Kontrolle dieselbe Verantwortung. Jede Partei, die diesen politischen Zirkus in den letzten Jahrzehnten mitbestimmt hat, ist verantwortlich.
Aktuell verhandeln Sebastian Kurz von der ÖVP (ob türkis oder schwarz, Partei oder Bewegung, das weiß er wohl selbst nicht mehr so genau) und Heinz Christian Strache von der FPÖ bezüglich einer Regierungskoalition zwischen ÖVP und FPÖ. Einige der zentralen Themenkomplexe sind Bildung, Recht, Sicherheit und Soziales. Konkret bedeutet das: Einsparungen von Sozialleistungen, in erster Linie für MigrantInnen und sozial schwächer Gestellte. Und allgemein: Reglementierung der Bildung, Beschluss eines ‚Strafrechtspakets‘ und eines ‚Sicherheitspakets‘. Die Polizei soll aufgerüstet werden und eine noch strengere Sicherung des ‚Grenzraumes‘ wird angestrebt. Das sind einige der Dinge, die bei den Koalitionsverhandlungen diskutiert wurden.
Das geringere Übel
Als Anarchist_innen sind wir gegen alle politischen Parteien. Das ist der Grund, warum wir uns weder an den Wahlen beteiligen noch für irgendeine dieser Parteien Werbung machen. Wir geben auch keine Empfehlungen ab. Es mag sein, dass Viele wählen gehen, um Schlimmeres zu verhindern. Entweder um den alten Mythos der gemeinsamen Linken aufrecht zu erhalten. Sie wählen beispielsweise eine linke oder sozialdemokratische Partei, um zu verhindern dass die Konservativen oder die Rechten an die Macht kommen. Oder sie geben denjenigen ihre Stimme die am ehesten für ihre Interessen Partei ergreifen. Oder einfach diejenigen die ihrer Meinung den wenigsten Schaden anrichten können. Für uns ist diese Abschätzung irrelevant. Weil wir denken, dass sich lediglich die Verwaltungsform und die Darstellung der Herrschaft ändert, nicht aber die grundlegende Tatsache der kapitalistischen Ausbeutung und der Machtausübung. Mit Sicherheit gibt es Unterschiede im Führungsstil einer SPÖ, im Vergleich zur FPÖ. Das wollen wir nicht abstreiten. Dennoch denken wir dass wir unser Leben nicht nach dem geringeren Übel ausrichten wollen. Wir sind für die Abschaffung jeglicher Autorität und das ohne Kompromisse. Das Wahlrecht ist eine Lüge der politischen Klasse. Es dient lediglich zur Absicherung der kapitalistische Realität. Und die Entwicklungen der Märkte und der kapitalistischen Realität richtet sich nicht danach wer gerade an der Macht ist.
Der Effekt der Gewöhnung
Die Sozialdemokraten und die Konservativen haben in den letzten Jahren den Weg von Gesetzesverschärfungen und der Beschneidung des Sozialstaates weiter getrieben. Das widerliche Klima aus Rassismus, Sozialkannibalismus und Ausbeutung hat sich kontinuierlich verschärft. Damit ist eine rechtspopulistisch-konservative Regierung lediglich eine logische Folge. Zu viele haben sich an diesen Zustand gewöhnt. In Deutschland ist die AfD (Alternative für Deutschland) seit der letzten Wahl im Bundestag vertreten, auch in vielen anderen Ländern hat der ‚demokratische Faschismus‘ in Form des sogenannten Rechtspopulismus enorme Erfolge gefeiert. Unter anderem stellen sie in Ungarn, Polen und Tschechien die Regierung. In vielen Staaten sitzen diese Parteien im Parlament und verzeichnen stetig größere Wahlerfolge. Österreich blickt in diesem Zusammenhang auf eine lange Tradition zurück. Die FPÖ bestimmt seit Jahrzehnten die politischen Debatten mit und war sowohl von 1983 – 1986 als auch von 2000 – 2006 an der Regierung beteiligt. Das hat wohl einen nicht zu unterschätzenden Gewöhnungseffekt erzeugt.
Manipulation wirkt!
Die aktuellen Geschehnisse scheinen einmal mehr zu beweisen, dass die Manipulation wirkt. Die Wahlen sind nichts anderes als ein Abfrage-Instrument der Herrschenden um ihre eigene Meinungsbildung zu kontrollieren. Die Propaganda die in den letzten Jahren über die Medien gespielt wurde, die Panikmache über den Terror und den Verlust der nationalen oder europäischen Identität, für mich lediglich zwei Seiten derselben Medaille, haben sich tief in das Bewusstsein der Menschen eingebrannt. Der Ausgang der Nationalratswahl in Österreich ist lediglich das Ergebnis der Hirngespinste die das Dreckspack von Politikern, Unternehmern, Faschisten, Medien, Bullen und Militärs in den letzten Jahren in die Köpfe gepflanzt haben.
Die europäische Demokratie hat keine freieren Menschen erschaffen. Sondern hirnlose Abnicker des wirklichen Terrors, der von der Politik, dem Kapital, der Exekutive, dem Militär und der Forschung ausgeht. Sie sind es die unsere Zukunft in der Hand haben und nicht irgendwelche Flüchtlinge, die zum Teil ihren Weg um die halbe Welt gemacht haben um am verheißenen Wohlstand teilzuhaben.
Eine neue Leitkultur
In den letzten Wochen wurde von ÖVP und FPÖ Politikern immer wieder davon gesprochen, dass eine ’neue Leitkultur‘, ein ’neuer Stil‘ eingeführt werden soll. Was das genau sein soll, darüber gab es bis jetzt keine konkreten Informationen. Wenn wir uns aber die gesellschaftlichen und ökonomischen Trends anschauen, übrigens zwei Sphären die mittlerweile nicht mehr voneinander getrennt werden können, dann können wir erahnen worum es geht. Denn das ist wohl eines der Geheimnisse der Wahlerfolge von Kurz und Strache: Bezugspunkte zur aktuellen gesellschaftlich-ökonomischen Mythologie aufbauen. Es geht um Sparprogramme, Rationalisierungen, Flexibilisierungen von Arbeitszeiten und Arbeitsmarkt, Mieterhöhungen, Sicherheitsverschärfungen, Überwachung, Gesetzesänderungen zu Lasten von Arbeitslosen und Migranten, etc. Das ist der neue Stil: Politische Vollstrecker eines sich verändernden Kapitalismus.
Kapitalistische Restrukturierungen
Politik und Kapital passen sich seit Jahrzehnten an geänderte Verhältnisse an. Diese Restrukturierungen sind noch nicht abgeschlossen, sondern stecken viel eher in einem Prozess. Die neuen Verhältnisse der Ausbeutung brutalisieren sich immer weiter. Diesen wird durch die politische Verwaltung ein angemessener Rahmen bereitet. Der Sicherheitsdiskurs, die Technisierung und Digitalisierung, die Militarisierung und der Rechtsruck sind die Ausdrucksformen dieser Entwicklung. Die sozialdemokratische Verwaltung, die Jahrzehnte lang mit dem Befriedungsmittel des Sozialstaates operiert hat, hat ausgedient. Die Sozialdemokratie hat sich in den letzten Jahrzehnten immer stärker in Richtung der politischen Rechten und des Wirtschaftsliberalismus bewegt, bis sie schließlich in immer mehr Bereichen von diesen abgelöst wurde. Die stetige Beschneidung der Arbeiterklasse und die grassierende Korruption haben sie immer weiter von der Realität der Lohnsklaverei entfernt. Die FPÖ geht dabei den selben Weg, hat aber etwas im Gegenzug anzubieten, was selbst der Dümmste verstehen kann: Sündenböcke.
Damit soll gesagt werden, dass die Farbe der amtierenden Partei für die kapitalistischen Restrukturierungen irrelevant ist, Hauptsache die Ausbeutung behält ihre Rahmenbedingungen.
Sicherheit und Politik
Der Sicherheitsdiskurs ist allgegenwärtig und richtet sich gegen alle die gegen den Konsens der Kontrolle ankämpfen. Die Politik versucht uns die erhöhte Sicherheit als Dienst an der Gesellschaft zu verkaufen. Doch die einzigen denen damit ein Dienst erwiesen wird, sind diejenigen die von der kapitalistischen Ausbeutung profitieren. Die Sicherheit ist das einzige Argument, das in Zeiten der totalen Entwertung des Lebens noch Relevanz zu haben scheint. Dabei bedeutet sie in Wirklichkeit nur Machterhalt, Unterdrückung, Manipulation und Ausbeutung. Der Sicherheitsdiskurs richtet sich diametral gegen die Freiheit!