In unserem neuen Editorial, das seit der Ausgabe vom Jänner 2018, auf der ersten Seite abgedruckt ist, haben wir einige Dinge angesprochen, die wir an dieser Stelle etwas näher erläutern wollen. Es handelt sich um unterschiedliche Entwicklungen, die wir für äußerst wichtig halten, wenn es darum geht sich gegen den Angriff auf unser Leben vorzubereiten und dem Feind ins Auge sehen zu können. Um selbst fähig zu sein Methoden, Wissen und Verlangen zusammenzuführen, unsere Kritik zu schärfen und an der Macht zu rütteln.
Die Geschwindigkeit unserer Zeit erzeugt immer mehr Abgehängte und Ausgeschlossene. Durch die Technologie vergrößern sich die Trennungen zwischen dem ’nackten‘ Leben des Menschen und seiner Existenz in der kapitalistischen Gesellschaft. Die Virtualität und der Überfluss an Informationen machen es oft schwierig, sich auf bestimmte Dinge zu fokussieren und zu konzentrieren. Es gibt nichts, das es nicht schon gibt und wenn es etwas noch nicht zu geben scheint, so können wir uns sicher sein, dass es sich schon in Planung und Entwicklung befindet. Der Fortschritt war jeher Dogma der kapitalistischen Gesellschaft. Mittlerweile ist er zu so etwas wie einer neue Religion geworden.
Das Gefühl der Ohnmacht, die Unfähigkeit zu handeln, etwas gegen diese Welt der Kontrolle und Ausbeutung zu unternehmen, erzeugt eine Lethargie. Diese greift um sich, da uns kontinuierlich vorgebetet wird, dass es sich nicht auszahlt zu rebellieren. Denn wenn du einen Vorschlag hast, dann ist es dein gutes Recht ihn der Politik vorzubringen. Den politischen Weg zu gehen und Forderungen zur Veränderung der Verhältnisse aufzustellen, denn schließlich leben wir in einer Demokratie. Und so fügen sich soziale Bewegungen in politische Kreisläufe ein, werden zu Parteien und lösen sich in der Politik auf. Der Wille zur Rebellion ist aber etwas anderes, er kann nicht vereinnahmt werden, denn er hat keine Forderungen an die Politik. Er kämpft lediglich für deren Zerstörung. Nur die Zurückweisung aller Angebote der Herrschenden kann die Ohnmacht überwinden.
Die Auflehnung ist in der Geschichte der Menschheit ebenso eine Konstante, wie die Ausbeutung und die Herrschaft. Von den Sklavenrevolten und Aufständen der Antike, über die Erhebungen der Bauern gegen die Knechtung durch die Leibeigenschaft im Mittelalter, bis hin zu den revolutionären Bewegungen ab dem 19. Jahrhundert, die den Anarchismus hervorbrachten. Oder wenn wir von der heutigen Zeit sprechen, so haben wir in den letzten Jahren eine immense Umwälzung in den Ländern Nordafrikas erlebt. Das oftmalige ‚Scheitern‘ dieser Versuche die Herrschaft vom Thron zu stoßen, ist kein Beweis für den ethischen Anspruch jede Autorität zu beseitigen und für ein Leben zu kämpfen, das auf gleichen Prinzipien der Freiheit und Gegenseitigkeit für alle basiert. Es ist lediglich Beweis für den Drang zum Aufstand gegen die Unterdrückung, der sich nicht in die Vergangenheit verbannen lässt, sondern immer noch unter der Oberfläche der normierten und kontrollierten Welt lodert. Dieser Drang wartet nur darauf wieder entfesselt zu werden, um sich seinen Weg zum Aufstand zu bahnen. Nichts davon ist vorbei.
Wenn wir sagen, dass wir mit ‚Würde‘ kämpfen wollen, so bedeutet das, dass wir keine Autoritäten in diesem Kampf dulden: er muss allen gehören. Deshalb schlagen wir vor, nach einigen grundsätzlichen Prinzipien zu handeln und dazu gehören die Selbstorganisation, die Autonomie und die Ablehnung der Politik.
Was meinen wir mit einer ‚Mentalität der Subversion‘? Für uns bedeutet das nichts anderes, als dass wir uns diametral gegen jedes Projekt von und jede Form der Vereinnahmung durch die Herrschaft zur Wehr setzen. Dass wir eine Ablehnung, eine Negation der bestehenden Werte, die uns jeden Tag aufgezwungen werden verinnerlichen. Dass wir jede Information und jede Handlung der Medien und der Politik erst einmal als Kontrolle betrachte. Dass wir uns selbst bilden. Nicht durch Halbwahrheiten, mit denen wir auf Facebook oder anderen sozialen Medien, im Fernsehen oder der Presse, bombardiert werden. Sondern dass wir uns bilden, durch die Interaktion mit anderen, das Erlernen von Fertigkeiten, die Suche nach Schriften die unsere Verlangen ausdrücken und das anschließende Studieren und Analysieren derselben, um uns eine eigene Perspektive zu erarbeiten, die wir bei jeder Gelegenheit unserer Kritik unterziehen müssen. Keine Wahrheit ist unumstößlich.
Für uns gibt es keine Forderungen nach einem besseren Leben im Kapitalismus. Wir müssen begreifen, dass jedes Zugeständnis eine Bestätigung der Identität des Untertanen ist. Wir geben den Herrschenden die Möglichkeit über uns zu herrschen. Die Dichotomie Herrschende und Beherrschte kann nicht angegriffen werden, wenn wir uns an die von der Herrschaft zugelassenen Methoden halten. Dieser Rahmen kann gesprengt werden. Lasst sie uns dazu zwingen, sich aus unserem Leben zu verpissen und uns nehmen was wir brauchen. Diese klare Abgrenzung zur Autorität und der kontinuierliche sich ausweitende Kampf gegen sie bezeichnen wir als Spannung.
Was wir unter kapitalistischen Restrukturierungen verstehen, betrifft neue Formen von kapitalistischer Ausbeutung und Organisierung. Der Industrialismus, mit der Fabrik als zentralen Produktionsort, ist nicht mehr die allgemein gültige Realität des Großteils der Ausgebeuteten. Genauso wie die sogenannte Vollbeschäftigung nicht mehr erreichbar ist. Seit gut 20 Jahren dauern diese Prozesse an, die eine vollkommene Zerfaserung der alten Formen der kapitalistischen Ausbeutung und der Klassensituation bedeuten. Mit diesen Entwicklungen einher gehen die Normalisierung der Arbeitslosigkeit, Beschneidung/Abschaffung von sozialer Absicherung, Ausbau der Repressionsstrukturen zur Vorbereitung auf Aufstände, Technologisierung/Überwachung, Individualisierung und Flexibilisierung von Ausbeutung und Konsum, etc.
Die Welt die durch diese Veränderungen beginnt, vor uns zu entstehen ist unter anderem von den Aspekten der Technologisierung, Kontrolle, Verarmung und Militarisierung zu betrachten.
Ich kann viele Vorgänge und Handlungen nicht verstehen. Aber nicht aus dem Grund, weil ich nicht begreife wie sie (technisch) funktionieren, sondern weil ich mich frage, welche Leidenschaften oder Bedürfnisse sie erfüllen. Also ein Unverständnis dafür warum bestimmte Waren, Identitäten, Ideologien oder Verhaltensweisen so viele Menschen fesseln können. Um es kurz zu sagen: Ich habe oft das Gefühl, von dieser Welt getrennt zu sein. Sie ist mir fremd geworden. Eine Trennung, die viele versuchen aufzuheben, um dazu zu gehören. Deshalb streben wir nach all den Waren und Identitäten, die das Kapital für uns ausschüttet. Alle diese Dinge sind lediglich Projektionen der Macht. Es geht nicht darum Gegenstände zu benötigen, um diese zu benutzen, sondern darum, eine Leere zu füllen, die das Spektakel kontinuierlich versucht in uns zu erzeugen. Wir sind nicht mehr im Besitz unserer eigenen Verlangen.Wenn ich mit anderen darüber rede, merke ich, dass ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin. Es ist wichtig, sich mit anderen über diese Fragen auszutauschen. Und dadurch Verbündete in dieser Welt der Vereinzelung zu finden.
Die neuen Formen von Konsum und Technologie sind dabei zentrale Aspekte. Seit dem Aufkommen des Internets und in weiterer Folge, der vollkommenen Veränderung des Wesens unserer Kommunikation, hat sich auch unser Leben total gewandelt. Die Entwicklung und Einführung des Smartphones, ist dabei als weiterer Etappensieg der totalen Kontrolle durch die Herrschaft zu sehen.
Das was wir als Realität betrachten besteht aus Virtualität und Fantasie und trennt uns immer mehr von der wirklichen/physischen Interaktion mit anderen ab. ‚Smart‘ ist dabei einer der neuen Kulturbegriffe geworden, ein Synonym für eine kontrollierte, vernetzte Wirklichkeit. Gemacht für den hippen, flexiblen und sorgenfreien Menschen der Zukunft. Faktisch bedeutet es aber, dass wir unsere Interaktion immer mehr von Maschinen, Computern, Programmen und Apps abhängig machen. Die Technologie ist die neue Ausdrucksform von der jeher existierenden Ausbeutung und Herrschaft. Sie hat den alten Ausbeutungsverhältnissen einen demokratischen, partizipativen und sauberen Anstrich verpasst, öffnet aber vor uns lediglich einen weiteren Graben, der uns von der Freiheit trennt. Technologisierung und Kontrolle sind untrennbar miteinander verbunden.
Während die Wirtschaftsspezialisten erklären, dass sich der ‚Wohlstand‘ in Österreich vermehrt hat, fragen wir uns, bei wem und wo das passiert sein soll. Denn in unserer näheren Umgebung kann das schließlich nicht passiert sein. Und in Anbetracht von beschissen bezahlten Jobs, Existenzen die auf Schulden aufbauen, steigenden Mieten und Zwangsdelogierungen fragt man sich wo dieser Wohlstand sein soll. Unser Verdacht geht in die Richtung, wo der Wohlstand immer schon war und wo es mehr als genug davon gibt. Die Verarmung wird in den nächsten Jahren noch weiter voranschreiten. Was wir gerade erleben scheint erst der Anfang zu sein. Und das wissen auch die Herrschenden. Denn die steigenden Etats für Polizei und Militär, also die steigende Militarisierung, ist als Vorbereitung zu verstehen. Vorbereitung auf die zu erwartenden Explosionen der Spannungen, wenn den Ausgebeuteten, also uns allen, die wir von unterschiedlichen Aspekten der kapitalistischen Unterdrückung abhängig sind, die Mittel zum Leben ausgehen.
Eine neue Form des Totalitarismus hat sich entwickelt. Europa ringt um Luft, versucht durch die rasante Einführung unterschiedlicher Gesetze, die Ausbeutung absichern und Repressionsmethoden legitimieren sollen, sein Fortbestehen zu sichern. Von totalitär sprechen wir auch deshalb, weil die Technologie allgegenwärtig geworden ist, es gibt keinen Lebensbereich der davon verschont bleibt. Die Methoden die dadurch den Staatsapparaten in die Hände gelegt werden, verengen unsere Welt zunehmend. Die ‚Anonymität‘ löst sich immer mehr in Luft auf. Daneben wird mit Ausnahmegesetzgebung experimentiert, Militär und Polizei beliebig verschoben und eingesetzt, angefeuert von Medien die fast alle die selben Positionen vertreten. Europa versucht sich abzuschotten, damit das Bild von der heilen Welt des Friedens und des Fortschritts nicht durch die ‚Habenichtse‘ gestört wird, die in den letzten Jahren die Grenzen überwunden haben, weil ihre Welt durch Krieg, Ausbeutung der Ressourcen und untragbare Lebensbedingungen am Zusammenbrechen ist. Der Bürger, dessen Konstrukt des verdienten Wohlstandes zerfällt, ist außer sich. Die Bürgerin die es gewohnt ist, dass der Staat alles für sie erledigt, fühlt sich nicht mehr sicher. Ein Nährboden für Sozialkannibalismus, Nationalismus und allerlei Missgunst entsteht. Und so wandelt Europa ein weiteres Mal sein Gesicht.