Nicht nur der Staat nutzt die „Flüchtlingskrise“ um Gesetze zu verschärfen und sein repressives Arsenal aufzustocken. Auch die Rechten versuchen die Situation zu nutzen um Stimmung zu machen und politisches Kapital zu schlagen – im Netz und auf der Straße. Eine kleine Analyse wie sie dabei vorgehen.
Im digitalen Reich wird sich vor allem in der gezielten Falschinformation geübt. Über Youtubekanäle, Facebookund Whatsappgruppen, Blogs etc. werden Fluten von Falschinformation verbreitet. Dabei ist der digitale Lynchmob bereit auf alles anzuspringen, was ihm vor die Füße geworfen wird. Keine Verdrehung ist zu blöd, als dass sie nicht mit der Bitte, sie zu teilen, auf Facebook verbreitet wird. Mittlerweile gibt es im Internet eine eigene Karte (hoaxmap.org) die diese oft bewusst geschürten Gerüchte entlarvt und aufklärt.
Auf der Straße tarnen sich die Nazis als Bürgerinitativen, um leichter Akzeptanz zu finden; schließlich wird ein besorgter Bürger dies oder das ja noch sagen dürfen. Viele Nazis in Ostdeutschland fahren diese Schiene – mit Erfolg. Denn mit der Fokussierung auf die „Flüchtlingskrise“ und als vermeintliche „besorgte Bürger“ hat ihr Projekt Fahrt aufgenommen. Soll eine neue Unterkunft entstehen, folgt meist ein Brief oder ein Facebookaufruf der „Bürgerinitiative XY“, dann Protest mit dem Ziel, eine „Bürger“Bewegung loszutreten unter dem Schlachtruf, die Unterkunft zu verhindern.
Den Worten folgen Taten – Steine, Schüsse, Feuerwerk und Brandstiftungen. Die Angriffe selbst werden nur selten mit einem Hakenkreuz oder ähn licher Symbolik bekannt. Dadurch können diese Taten potentiell von allen begangen worden sein. Damit sind sie nicht so einfach auf ein Milieu – Rechtsextremisten – reduzierbar. Was dazu geführt hat, dass in der deutschen Presse schon vom „bürgerlichen Feierabend Terrorist“ gesprochen wird. Jedoch wurde diese Feierabendthese jüngst in einer Reportage der Hamburger Wochenzeitung „Zeit“ widerlegt. Dabei untersuchten die AutorInnen die Hintergründer der bis her ermittelten Verdächtigen und Täter. In der Reportage kommen sie zu dem Schluss, dass die Feierabendthese, die besagt, dass auch unbescholtene „Normal“ bürger begonnen haben, Asylunterkünfte in Brand zu stecken, nur sehr vereinzelt stimmt. Beziehungsweise, dass der Großteil der Täter sich aus Nazis oder anderer Rechten rekrutiert.
Aber auch wenn dem vielleicht so ist, dass vor allem Nazis die Brandstifter im doppelten Sinne sind, zeigte sich dennoch in Ortschaften wie Bautzen (Sachsen), das Potential dieser „Bewegung“: Als im Februar ein Hotel, das in eine Unterkunft umgewandelt werden sollte, in Brand gesteckt wird, applaudieren Passanten und hindern die Feuerwehr bei den Löscharbeiten.
Auch in Österreich versuchen Rechte aus der „Flüchtlingskrise“ politisches Kapital zu schlagen. Als Anstachler tut sich vor allem die neofaschistische „Identitäre Bewegung“ hervor. Deren Akteure versuchen als Bindeglied zwischen Nazihools, FPÖlern, Burschenschaftern, organisierten Nazis und anderen „besorgten“ Bürgern zu fungieren. Montäglich veranstalten sie in 12 Städten „Mahnwachen für die Opfer der Flüchtlingskrise“ und karren wöchentlich ihre Aktivisten in verschiedene österreichische Städte oder Dörfer um dort gegen Unterkünfte mobil zu machen. Bis jetzt ist es ihnen jedoch nicht gelungen eine pegidagleiche „Wir sind das Volk“-Schreier Bewegung zu etablieren. Der Boden ist jedoch fruchtbar und wird eifrigst von den Medien und der Politik bestellt. Leergekaufte Waffenläden, mitgehörte Stammtischgespräche und Stimmungsumfragen geben davon ein Bild.
Wieso gibt es dann also in Österreich noch keine grölenden Volksmobs? Einerseits wohl aufgrund des repressiven Vorgehens der Regierung, die ein Handeln der strammen Österreicher gar nicht erst erforderlich macht, weil die Politik deren Ziele eh schon umsetzt. Andererseits, weil sich Leute kontinuierlich diesen rechten Mobilisierungsversuchen entgegenstellen. Und auch bereit sind gegen die Faschos Hand anzulegen, wie etwa bei der Demonstration in Spielfeld im Herbst 2015, wo etwa 80 Autos der angereisten Nazimeute demoliert wurden.