Das Ende der Arbeit?!

Die Entstehung einer neuen armen Schicht

Durch den Einsatz neuer Technologien in der Produktion von Konsumgütern werden laut Ökonomen alleine in den nächsten 15 Jahren in Österreich hunterttausende von Arbeitsplätzen hinfällig werden und ganze Branchen von Berufsfeldern nicht mehr benötigt werden. Dieser Prozess begann bereits mit der „industriellen Revolution“ und setzt sich in den 1970er und 80er Jahren mit Einführung der Telekommunikation, der (Mikro-)Elektronik sowie nicht zuletzt des Internets seitdem ungehindert fort – bis heute. Auch wenn das auf keinen Fall heißt, dass durch die Automatisierung der verschiedenen Arbeitsbereiche das „Ende der Arbeit“ vor der Haustür steht, handelt es sich doch um gravierende Entwicklungen im Bereich der menschlichen Reproduktion – und somit um gravierende Entwicklungen im Kampf der Ausgebeuteten gegen ihre AusbeuterInnen.

Doch was ist Arbeit überhaupt?

Aus Gründen der Einfachheit betrachten wir hier den Bereich der Lohnarbeit und klammern andere Tätigkeiten, die durchaus auch als Arbeit begriffen werden können, vorerst aus. Lohnarbeit beschreibt das Verhältnis, das Menschen gezwungen sind einzugehen, wenn sie außer ihrer Arbeitskraft keine anderen Ressourcen (Bodenschätze, Produktionsmittel, Maschinen, Fabriken, …) haben, die sie verkaufen können. Da diese anderen Ressourcen bereits vor langer Zeit willkürlich von den Grundbesitzer- Innen, EigentümerInnen, usw. in ihre Gewalt gebracht wurden, entstand eine Ungleich heit in der Aufteilung, die seitdem existiert. Diese Ungleichheit ist seither die Basis der Ausbeutung in kapitalistischen Gesellschaften. Die Ausbeutung und die Arbeitswelt existieren also schlicht auf der ungleichen Verteilung von Ressourcen. Durch den Verkauf der Arbeitskraft an die AusbeuterInnen erwirtschaften diese Profit, den sie wiederum in die Aufrechterhaltung der Ausbeutung stecken: auf der einen Seite in den Staat mit seinen Gesetzen, Gerichten und Gefängnissen, der Polizei, dem Heer, privaten Sicherheitsfirmen und anderen BewahrerInnen der herrschenden Ordnung … und auf der anderen Seite in die Effizienzsteigerung der Produktion, in Beschleunigung von Arbeitsprozessen, in die erneute Steigerung des Profits). Dadurch wird der Kreislauf dieser Ausbeutung aufrechterhalten.

Möglichkeiten?

Diese Gesellschaft gründet sich auf Geld. Nun gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Mitglieder dieser Gesellschaft, um an das notwendige Geld zum Leben zu kommen. Die meisten gehen arbeiten, verkaufen also ihre Arbeitskraft und bekommen dafür einen gewissen Lohn mit dem es sich mehr oder weniger gut leben lässt. Das ist der übliche, vorgesehene Weg. Andere, die aufgrund von Illegalisierung (keine oder die falschen Papiere, staatliche Repression, politische Verfolgung, …) oder anderen Gründen keiner geregelten Lohnarbeit nachgehen können oder wollen, sind entweder auf sehr gute FreundInnen und Strukturen angewiesen oder gezwungen, sich in der Kriminalität ihr Brot zu verdienen. Ob es sich dabei um Bankraub, Kleinkriminalität oder was auch immer handelt, spielt im Hinblick auf das Ausbeutungsverhältnis kaum eine Rolle: entweder du beutest andere aus und profitierst, oder du wirst selbst ausgebeutet. Der Bankraub beispielsweise ist also schlicht eine andere Art der Tätigkeit, um an Geld zu kommen und überwindet ebenso wenig per se die Profitlogik des Kapitalismus – dennoch handelt es sich dabei um eine in der Regel begrüßenswerte Umverteilung von einer Bank zu einer Einzelperson oder einer Gruppe, was jedoch kein generelles revolutionäres Potential mit einschließt – es ist schlicht ein höherer Stundenlohn zu erwarten, allerdings auch mit höherem „Berufsrisiko“.

Bleibt (abgesehen von diversen Grauzonen) noch eine weitere Möglichkeit, um an Geld zu kommen: Bezug von Arbeitslosengeld oder Mindestsicherung. Durch die Einführung von Robotik und Automation und dem einhergehenden Wegfallen vieler Arbeitsplätze ist be reits jetzt ein großer Teil der Gesellschaft in Österreich zeitweise oder permanent auf die Beiträge der Arbeitslosenversicherung oder anderer Sozialleistungen angewiesen – Tendenz steigend: alleine in Wien ist aktuell ein Drittel der Bevölkerung direkt oder indirekt von der Mindestsicherung abhängig – ob nun in ganzer Höhe oder als Aufstockung zum geringfügigem Gehalt, das oft weit unterhalb der Armutsgrenze liegt.

Polizei & Heer gegen das Heer der Arbeitslosen?

Diese Veränderungen in der Arbeitswelt haben selbstverständlich enorme soziale Auswirkungen und könnten durch das Entstehen einer neuen armen Schicht, die mehr oder weniger von der Hand in den Mund leben muss und keinerlei „Sicherheiten“ hat, eine tatsächliche Bedrohung für die bestehenden Verhältnisse werden. Daher sind die Herrschenden seit Jahrzehnten darum bemüht, die Befugnisse und die Ausrüstung der Sicherheitsbehörden auszuweiten und spezielle Programme im Bezug auf Aufstandsbekämpfung und Crowd Control aufzubauen. Ebenso das neue polizeiliche Staatsschutzgesetz, das im Jänner 2016 beschlossen wurde, stellt eine Entwicklung in diese Richtung dar (siehe Revolte Nr.2). Auch wird aktuell an der Abschottung der innereuropäischen und der EU-Außengrenzen gearbeitet, um die Flüchlinge abzuhalten, die aufgrund von Kriegen, Folter und miserablen Lebensumständen zur Flucht getrieben werden. Jedoch wenden sich die repressiven Mittel von Staat und Kapital nicht nur gegen jene, die an den Außengrenzen anklopfen. Das Motto dieser Tage scheint zu lauten „Der Feind befindet sich innen UND außen“ und dementsprechend handeln die Herrschenden auch: Verschärfung der Gesetze in Bezug auf Drogenhandel, Erweiterung des Polizeiapparates (nicht nur an den Grenzen!), härteres Vorgehen gegen Schwarzarbeit, die verpflichtende Einführung der Registrierkassen, Anti-Terrorgesetze, Überwachung des öffentlichen Raums, generell härtere Strafen und mehr Plätze in den Gefängnissen. Kurz: all dies, um unkontrollierte Bewegungen und Revolten gegen dieses System der Unfreiheit bereits im Keim zu ersticken.

Reform der Sozialhilfe

Nun wird der Kampf gegen diese (zukünftigen) armen Schichten selbstverständlich auch im Rahmen der Gesetze ausgetragen: Österreichs Finanzminister Schelling kündigte bereits im Sommer 2015 an, dass er die Höhe der Mindestsicherung für viel zu hoch bewerte, er sympathisiere mit dem deutschen Modell von Hartz IV und er werde die Mindestsicherung auf ein Ausmaß kürzen, „dass die Leute wieder zum Arbeiten motiviert“. Ebenso hat sich in der Diskussion um eine niedrigere Mindestsicherung für Geflüchtete aktuell die Position durchgesetzt, welche sich für eine Reduzierung ausspricht. Als ob Flüchtlinge bei gleichen Lebenshaltungskosten mit weniger Geld auskommen könnten als ÖsterreicherInnen – vor allem, da das Niveau der Mindestsicherung ohnehin als untere Armutsgrenze definiert ist – also als das Allernötigste, was zum Leben gebraucht wird. Das alles, so Schelling, um den Sozialstaat zu retten, weil seit Sommer 2015 so viele Menschen auf ihrer Flucht nach Österreich kommen und die Kosten zum Explodieren bringen würden. Er will den Sozialstaat also retten, indem die Sozialausgaben gekürzt werden…

Dies befeuert selbstredend rassistische Diskurse, wo sich „ÖsterreicherInnen“, die selbst Mindestsicherung beziehen und somit bereits im unteren sozialen Niveau angesiedelt sind, über „die Flüchtlinge“ aufregen und dafür eintreten, dass diese weniger erhalten sollten. Getreu dem alten Motto „nach unten treten, nach oben buckeln“ – anstatt die Wut über die Verhältnisse gemeinsam mit anderen Ausgebeuteten und Benachteiligten nach oben zu tragen.

Die aktuelle Reform der Sozialhilfe beinhaltet zum Einen eine verstärkte „Aktivierung“ der Arbeitslosen, d.h. sie sollen dem Arbeitsmarkt jederzeit flexibel zur Verfügung stehen und sie werden genötigt, auch bei schlechter Bezahlung Drecksjobs anzunehmen, um keine Sanktionen „vom Amt“ zu erhalten. Durch die Zusammenlegung von verschiedenen Datenbanken des Sozialamts und des AMS wird eine lückenlose Kontrolle der „Arbeitswilligkeit“ gewährleistet und Kürzungen und Sanktionen können flächendeckend, kostengünstig und schnell durchgeführt werden. Da durch das geringe Einkommen von Arbeitslosen kaum die Möglichkeit besteht, etwas Geld auf der Seite zu haben, bedeuten Sanktionen und Kürzungen in erster Linie eine Existenzbedrohung für die Betroffenen. Diese bewusste Produktion von Unsicherheit hat Kalkül: denn da durch sind Arbeitslose gezwungen, unter allen Umständen Arbeit anzunehmen, um ihre Existenz zu sichern – sie werden somit zur billigen, unterwürfigen Rangier masse für den freien Markt.

Perspektive soziale Revolution!

Eine geeignete Antwort auf die repressiven und lebensfeindlichen Bedingungen kann lediglich in einer breiten sozialen Bewegung gefunden werden, die sich gegen jede Form der Ausbeutung, Unterdrückung und Kontrolle durch den Staat richtet und aktiv an der Zerschlagung sämtlicher Strukturen der Autorität arbeitet. Die Enteigung der Eigentümer- Innen, die Umwälzung der Besitzverhältnisse, ebenso wie der sozialen Mechanismen (Rassismus, Sexismus, …) spielen dabei eine entscheidende Rolle. Wir als Anarch istInnen wollen nicht in einer hochgerüsteten Welt leben, in der wir zu Arbeitsgeräten, Robotern und Maschinen degradiert werden und unsere kostbare Lebenszeit verkaufen müssen, um einen beschissenen Lohn oder beschissene Sozialleistungen zu erhalten und unsere Bedürfnisse befriedigen zu können. Ebenso lehnen wir die Kategorisierung von Menschen in „ÖsterreicherInnen“, „Flüchtlinge“ u.Ä. ab – wir sind hingegen auf der Suche nach KomplizInnen, die sich bereits auf dem Weg der Revolte gegen das System befinden – oder sich auf diesen Weg begeben wollen…