Wieso wir Feinde der Polizei sind.

«Wenn wir die Polizei angreifen dann nicht um sie aus unseren Vierteln zu jagen, sondern um sie aus unseren Leben zu vertreiben.» ­ os cangaceiros

19Mit erstem August wurde in Wien in 8 Bezirken der „Grätzelpolizist“ installiert. Damit eine abgeschwächte Version des geplanten Community­Policing, das wir schon in Nr. 5 dieser Zeitung kritisiert haben. Abgeschwächt weil es vorerst keine Sicherheitsbrüger geben soll, die den Grätzelblockwart spielen. Angeblich wird das Community­Policing eingeführt um Bürgerwehren vorzubeugen, jedoch wurde schon seit den 2000ern daran gearbeitet, als Bürgerwehren noch gar kein Thema waren. Der Grätzlpolizist soll das sogennante subjektive Sicherheitsgefühl stärken und die vermeintliche Distanz zwischen Polizei und Bürgerschaft überbrücken – nicht mit Schlagstock und Schild soll er den Bürgern gegenüber stehen, sondern mit Rat und Tat zur Seite. Wir nutzen diesen „Anlass“ um eine allgemeinere Kritik zu formulieren, wieso wir Feinde der Polizei sind.

Oft hängt sich Kritik gegenüber der Polizei am Exzess einzelner Beamter auf – meist in Fällen von Polizeigewalt oder Polizeimorden. Ab und an wird auch die Basis der Polizei kritisiert. Zum Beispiel wird gesagt, sie sei strukurell rassistisch oder als gesamtes zu lasch in der Strafverfolgung. Ich sage es klipp und klar, unsere Kritik ist nicht von dieser Art. Unsere Kritik richtet sich gegen die Polizei an sich.

Gar keine Polizei

Als Anarchistinnen streben wir Anarchie an. An­archie heißt „ohne Herrschaft“. Das heißt wir wollen ein Leben ohne materielle oder abstrakte Autorität über uns, ein Leben ohne regiert zu werden oder zu regieren. Ein Leben basierend auf Freiheit und Autonomie. Nun leben wir aber in einer Welt, in der Herrschaft und Autorität beinahe allgegenwärtig sind. Die Funktion und Rolle der Polizei ist eben die Sicherung und Aufrechterhaltung der jeweils (all­)gegenwärtigen Herrschaft.

Dabei ist die Polizei eine spezialisierte Gruppe, an die ein sozialer Zusammenhang seine Gewalt delegiert, damit diese Gruppe – die Polizei – Recht und Ordnung durchsetzt. Doch wer entscheidet was Recht und Ordnung ist? Eine kleine Minderheit, die Politikantenkaste und das zwangsläufig. Denn solange es Politik gibt, dass heißt die geführte Verwaltung eines menschlichen Zusammenhangs, wird es zur Kastenbildung kommen, egal ob die Elite von Rechts, Links oder von der Mitte gestellt wird. Und diese regierende Kaste, in Abstimmung mit der Wirtschaftsoligarchie, zwingt, wieder zwangsläufig, dem Rest ihre Vorstellung der Organisierung des Lebens mithilfe der Polizei auf. Aus diesem Grund ist es absolut lächerlich wenn Linke über „überzogene“ Polizeigewalt jammern, einerseits weil Gewalt ausübung die Aufgabe der Polizei ist, anderseits weil, wären sie an der Macht, ihre Polizei mit Delinquenten genauso verfahren würde.

Die Polizei ist also, bissig formuliert, der Kettenhund der jeweils Herrschenden. Der Kettenhund jener, die die Macht haben, festzulegen was Recht und Ordnung ist. Die legitime Gewalt der jeweiligen Oligarchie – egal ob in einem demokratischen oder einem diktatorischen Regime.

Was das für den oder die Einzelne heißt, die Teil der Polizei ist, liegt auf der Hand. Einerseits ist sie mit einem, ihre Individualität auslöschenden Korpsgeist konfrontiert, der sie dazu zwingt ihre individuellen Vorstellungen von Gerechtigkeit über Bord zu werfen um im Rudel zu agieren. Andererseits wirkt die Tatsache als Teil der legitimen Staats­Gewalt tendenziell über dem Recht zu stehen verführerisch und sorgt dafür, dass sich autoritäre und sadistische Charakterzüge noch weiter ausbilden – was wohl so manchen Exzess erklärt. Das heißt wir wollen einerseits gar keine Polizei, weil sie als Kettenhunde die jeweilige Herrschaft absichert und andererseits weil diese Macht­ und Gewaltposition, die an einzelne Individuen delegiert wird, diese bricht und korrumpiert und sie tendenziell zu autoritären Charakteren verkommen.

Daran werden auch mehr Frauen, Migranten, Schwule und Lesben bei der Polizei nichts ändern. Auch nicht wenn manche Linke und Feministinnen fest daran glauben. Diese (Bio­) Diversität trägt nur dazu bei, unsere Feinde in Blau moralisch noch unantastbarer zu machen. Genauso wie die Einführung eines Grätzlpolizisten.

Gar kein Polizieren

Es ist jedoch auch eine Welt ohne Polizisten vorstellbar, in der das Polizieren nicht verschwunden ist. Polizieren verstanden als die regulative, repressive Funktion der Polizei. Eine Welt in der das Polizieren von einer spezifischen, spezialisierten Körperschaft auf alle übertragen wäre und der Bulle im Kopf so stark ist, dass sich die Individuen dieser Gemeinschaft selbst im Zaum halten und regulieren, ohne Recht und Ordnung auch nur irgendwie zu gefährden. So eine Welt bräuchte vielleicht gar keine Uniformierten mehr, die Gesetzesbrecher in die Schranken weisen – der feuchte Traum der Herrschaft und unser Alptraum.

Aus diesem Grund geht es für mich nicht nur darum die Polizei aus unseren Leben zu verbannen. Es muss auch darum gehen das Polizieren an sich und die damit verbundene und verinnerlichte Polizeimentalität zu überwinden. Denn wenn jeder sein eigener Polizist ist, wenn die Kontrolle in das kollektive Bewusstsein aller zementiert ist, dann ist der Feind nicht mehr auszumachen. Das ist zugegeben relativ abstrakt, aber in einer Welt in der sich immer mehr Menschen, unter Zuhilfenahme von technologischen Prothesen zunehmend selbst disziplinieren, anpassen und optimieren zumindest teilweise gar nicht so abwegig.

Was dann? Als Anarchist, der davon ausgeht, dass sich meine Freiheit in der Freiheit des Anderen erweitert, geht es mir darum ein Verständnis von Solidarität und gegenseitiger Hilfe zu verbreiteten, das Polizieren und gegenseitiges Kontrollieren ausschließt. Ein Verständnis, das auf einer individuellen Ethik und einem antiautoritären Gerechtigkeitssinn basiert, anstatt einem normativem Moral­ und Rechtskodex, der von den jeweils Herrschenden geschrieben wird.

Aber, aber wirst du vielleicht einwenden:

«„Es müßte ja alles drunter und drüber gehen, wenn Jeder tun könnte, was er wollte!“ Wer sagt denn, dass Jeder Alles tun kann? Wozu bist Du denn da, der Du nicht Alles Dir gefallen zu lassen brauchst? Wahre Dich, so wird Dir Keiner was tun! Wer Deinen Willen brechen will, der hat’s mit Dir zu tun und ist dein Feind. Verfahre gegen ihn als solchen.» ­ Max Stirner