Das verspätete Sommerlochthema der mitteleuropäischen Presselandschaft drehte sich heuer wieder einmal um die Frage, was Frauen am Strand kleidungstechnisch zu tragen und wie sie dabei auszuschauen haben. Geht es dabei normalerweise um zu viel Fett, Zellulitis oder unerwünschte Haare, so ist diesmal die Rede von Frauen, die aus religiösen Gründen mehr als Badeanzug oder Bikini anhaben. Die Geschichte ist schnell zusammengefasst: In vielen Bädern oder Stränden im In- und Ausland gibt’s Burkini-Verbote aus diversen, meist vorgeschobenen Gründen wie Unhygiene oder „Störung der öffentlichen Ordnung“, was übereifrige Cops oder selbsternannte Blockwarte zu repressiven Vorgehen gegen dementsprechend gekleidete Frauen veranlasst.
Es scheint so, als ginge es in der Debatte vor allem um Rassismus und anti-muslimische Vorurteile. Um eurozentristische Grundsatzentscheidungen von weißen, reichen Männern in Krawatten am Frauenkörper, wo wie wann welche Kleidung getragen werden darf und welche Symbole kulturpolitisch akzeptabel und welche abzulehnen sind.
Nun ist es ja nicht so, dass in unserer ach so schönen sekularen EU-Welt religiöse Symbole keinen Platz haben würden, im Gegenteil: Jedes Dorf ist mit einer Kirche zugeschissn, nach wie vor hängen Kreuze in Schulen, Krankenhäusern oder Ämtern und die sogenannte Religionsfreiheit ist eine der letzten heiligen Kühe, während anderer Grundrechte immer weiter eingeschränkt werden.
Darum sollte die Debatte um den Burkini nicht primär als weiterer Teil eines vermeintlichen Kulturkampfes zwischen Orient und Okzident verstanden werden. Denn der männliche Blick auf Frauenkörper, deren Abwertung, Regulierung- und Normierungsversuche ist so alt wie die Religionen selbst: Im Patriarchat geben sich Christen, Muslime, Juden, Hindi oder Buddhisten die Hand, glücklich darüber Männer zu sein, die seit jeher mehr wert sind als Frauen. Quasi gottgewollt wird die „natürliche Ordnung“ zelebriert – ein Teil davon sind eben auch Kleidungsvorschriften für Frauen. Und es ist noch keine 50 Jahre her, da wurden Frauen hierzulande in Bikinis als Huren beschimpft und des Strandes verwiesen, so „unzüchtig“ war ihr Benehmen.
Da auch der Kapitalismus vom Patriarchat profitiert bzw. mit diesem Hand in Hand arbeitet, benötigt man für moralische Einschränkungen, Schönheitsnormen oder Kleidungszwänge keine Religion mehr. Es reichen Medien, Konkurrenz- und Marktwertdenken, Selbsthass und eine allgegenwärtige Frauen- und Körperfeindlichkeit, um Menschen davon abzuhalten, selbstbestimmt zu leben.
Im Kapitalismus oder auch innerhalb von Religionsgemeinschaften von Selbstbestimmung zu sprechen, mag unter Umständen zynisch erscheinen. Und doch sind unsere Hände, Herzen und Fäuste nicht gebunden und wir können damit unsere Kämpfe austragen. Klar ist auch, dass rassistische Angriffe auf Menschen welcher Zugehörigkeit auch immer, entschieden abzuwehren sind.
Als Anarchist_innen lehnen wir – speziell in Zeiten wie diesen – jede Religion dezitiert ab. Der Glaube an eine höhere Macht enthält keinerlei emanzipatorische Züge, auch wenn sie noch so befreiungstheologisch, selbstkritisch oder weltoffen daherkommen mag. Sich der Autorität einer Religionsgemeinschaft zu unterwerfen, bedeutet sich freiwillig oder z.B. in der Situation von Kindern unter dem elterlichen Zwang in die Arme eines ganz bestimmten moralischen und ideologisch aufgeladenen Systems zu begeben, das jede Handlung diktiert und normiert.
Als Anarchafeminist_innen scheißen wir auf Vorschriften aller Art. Wir bestimmen selbst, wo wir welche Kleidung tragen, ob wir unsere Beine enthaaren oder Schminke verwenden, im Stehen pissen, laut, leise, dick oder dünn sind und wir weisen jeden Angriff auf unsere Körper – sei es in Form von Kommentaren, verbalen Belästigungen oder körperlichen Übergriffen – entschieden zurück.
Gegen jede Religion!
Gegen jedes System!
Patriachale Verhältnisse zerstören!