Jeder Tag in eurer Normalität ist ein Tag zu viel!
„Du bist doch nicht normal!“ … Wie viele von euch haben das schon einmal gehört? Wie oft hat schon dein Chef, dein Lehrer, deine Eltern oder andere Autoritätspersonen dich das gefragt? Was ich mir dabei denke ist, viel zu viele Arschlöcher faseln irgendeinen Scheiß von ‚Normalität‘ daher. In einem Gespräch, einer Diskussion, Wortfetzen im »Zwischendurch’ eines vollgestopften Busses auf dem Weg zur Lohnsklaverei… Doch was ist »normal’? Gibt es eine objektive Wahrheit, ein allgemeingültiges Leitbild, das für uns alle gleich ist? Als Anarchist verneine ich diese Frage selbstverständlich, obwohl ich mich selbst all zu oft bei ähnlichen Gedankengängen ertappe. Diese Normalität wird oft so präsentiert, als ob es sich lediglich um eine persönliche Entscheidung handelt, ob man sich der Norm anpasst oder eben nicht. In vielen Fällen mag das auch sein. Denn ich entscheide mich selbst zu rebellieren und wenn ich mich auf diesen Weg begebe, verlasse ich die breit getretenen Pfade der Norm. Dennoch haben wir nicht alle die gleichen Möglichkeiten, das ist lediglich eine weitere demokratische Lüge. Die kapitalistische Realität der vergangenen Jahrzehnte hat danach verlangt die Offensichtlichkeit der Klassenherrschaft etwas aufzuweichen, aber lediglich aufgrund der besseren Regierbarkeit der Massen an Konsumenten und Produzenten. Wir unterliegen den gesellschaftlichen Normen, die uns an die für uns vorgesehenen Plätze von Lohnarbeit, Bildung, Familie, Konsum und Legitimierung der Politik ketten.
Überall wird in endlosen Schleifen der ‚zügellose Individualismus‘ der Welt vor unseren Augen abgespult. Doch bei näherer Betrachtung merken wir schnell, dass es sich dabei eher um Oberflächlichkeiten handelt, und nicht um einen starken Ausdruck von Individualität, die frei ist von allen vorgegebenen Maßstäben, die uns eine Gesellschaftsordnung, ein Staat, eine Religion, ein politisches oder wirtschaftliches Glaubensbekenntnis, oder eine Ideologie aufzwingen. Das Diktat des demokratischen Totalitarismus, der Unterordnung und der Autorität bleibt immer bestehend. Es haben sich lediglich die Erscheinungsbilder und die Formen geändert. Die Freiheit der Religion, der Kunst, der Meinung haben nichts mit jenem rohen und »primitiven’ Begriff der Freiheit gemeinsam, nach dem ich strebe. Jene Freiheit, die ich meine, verspüre ich erst wenn ich über die Grenzen der gesellschaftlichen Norm hinausgehe, in den Kämpfen die versuchen die Ketten von Eigentum und Verwertungszwang abschütteln und wenn ich die Gesetze breche und damit davon komme. Ich suche nicht nach einem Zugeständnis, sondern verlange nach einer ganzen Welt. Die Freiheit des Clowns, der Vagabunden‘ und der Künstler ist eine scheinbare. Ein Abkommen zwischen Kapital und Individuum, um die alles zersetzende Frage nach der Anarchie nicht zu stellen. An dessen Stelle ein komplexes Gebilde von unterschiedlichen Abschätzungen, Konkurrenz, »Einbindung’, »Ausschluss’ und Moralvorstellungen tritt.
Der moralische Zwang der demokratischen Wahlen stellt hier ein gutes Beispiel dar. Denn als gesellschaftlicher Maßstab ist es wohl das Schlimmste und Widerwärtigste, wenn man gar nicht wählt. Eine Entscheidung außerhalb der diktierten Freiheit ist nicht erwünscht. Denn schließlich geht es um die Aufrechterhaltung des »Normalzustandes’. Und wenn ich mich nicht für eine Seite dieses Gemetzels, das sich Politik nennt, entscheide, so die Ausgebildeten’ und »Eingebildeten’, die sich als die moralischen Hohepriester dieses menschlichen Zoo’s verstehen, dann kommt das dem absoluten Verrat an der wichtigsten Errungenschaft der Demokratie gleich: der freien Wahl. Denn es ist doch normal zu wählen, wie es normal ist an die Allmacht Gottes und/oder an die Wissenschaft zu glauben, Arbeiten zu gehen oder zumindest den Willen dazu zu zeigen produktiv zu sein und sein Eigentum zu mehren oder auf Geheiß eines Königs, Fürsten, Politikers, Pfaffen oder anderen Anführers sich im Namen der Religion, der Nation, des Vaterlandes, der Vernunft oder des Marktes abzuschlachten.
Wenn es »normal’ ist, die Krücken von Politik und die Freiheit der Märkte mit Autonomie und Individualität zu verwechseln, wenn es als »normal’ erachtet wird sich zwischen Pest und Cholera zu entscheiden, wenn es normal ist Freiheit und Glück auf das Jenseits zu verschieben, anstatt im Hier und Jetzt ein würdevolles Leben zu erkämpfen, wenn es normal ist mich mit der Stumpfsinnigkeit von Konsum und Lohnarbeit zufrieden zu geben, wenn es normal ist die Vernichtung im Namen von Gott und Nation zu feiern, dann ist es mein Ziel in eurer verfickten Postmoderne das abnormalste und wahnsinnigste aller Ungeheuer zu werden!